Über das Spiel
- Erschienen bei Giant Roc
- Autor: Stan Kordonskiy
- BGG-Wertung: 7,7 | Weight: 3,71 | Spieler*innenanzahl: 1-4
Einleitung
Der griechische Gott Zeus hatte neben seiner Schwester Hera zahlreiche Liebschaften, die er oftmals durch die Annahme von Tiergestalten für sich gewann. Eines Tages verwandelte er sich in einen Stier und schwamm von Kreta aus an die phönizische Küste, wo er das junge Mädchen Europa „entdeckte“. Zurück auf Kreta verliebten sich der Gott und das Mädchen ineinander, und sie gebar ihm einen Sohn: den berühmten König Minos.
Dieser mythische Hintergrund dient als Rahmen für MINOS: ANBRUCH DER BRONZEZEIT. Ein Spiel, auf das ich durch den Beeple-Talk über B-Rex vom Cliquenabend aufmerksam geworden bin.
Wahrscheinlich ist, dass die Minoer eine Seemacht waren, die Handelsbeziehungen in der Region pflegte. Mit dem Handel und den politischen Bestrebungen der minoischen Kultur setzt sich das Spiel auseinander. Der*die Spielerin, die dabei am erfolgreichsten ist, erlangt den angesehenen Titel des Minos, des Oberhaupts aller Stämme.
Thematischer Überbau und mechanisches Grundgerüst
Gemäß der Beschreibung des Verlages spiele ich eine*n Anführer*in „eines der vier glorreichen minoischen Stämme“. Meine Bestimmung ist es, „um den angesehenen Titel des Minos, des Oberhaupts aller Stämme, zu buhlen“ (Spiele Offensive).
Dabei geht es weniger brutal zur Sache, als mich ein erster Blick auf den Spielplan erwarten ließ. Die Minoer waren – zumindest im Spiel – primär am Handel interessiert. So gibt es im Spiel zwar einen Anteil an Area Control, dies ist aber keineswegs der Hauptmechanismus und auch nur einer von vielen Wegen, sich den Titel des Minos zu holen.
Gespielt wird das Spiel über insgesamt vier Runden mit jeweils vier Aktionen. Nach der zweiten Runde gibt es eine Zwischenwertung. Jede Runde beginnt nach dem Würfeln aller Würfel mit einer Dice-Drafting-Phase. Ich darf einen Würfel auswählen und dann auf einer der vier Basisaktionen (+eine Jokeraktion) platzieren. Würfel mit höherer Augenzahl werden neben Würfeln mit niedrigerer Augenzahl gelegt. Dies hat für mich den Nachteil, dass die Basisaktion insgesamt schwächer wird. Dafür trägt die höhere Augenzahl mehr zur anschließenden Stammeswertung in der zweiten Spielphase bei. Habe ich Würfelaugen in der Gesamtsumme von neun bei einer oder mehreren der drei Farben erreicht, dann darf ich auf den jeweiligen Leisten einen Schritt nach vorn machen. Diese geben mir im weiteren Verlauf Vorteile, wie zusätzliches Einkommen in der Einkommensphase.
Nachdem auch diese Phase abgehandelt ist, muss ich meinen höchsten Würfel vom Spielplan nehmen und die jeweilige Aktion ausführen. Die vier Basisaktionen sind Karten nehmen, Karten ausspielen, Gebäude bauen und Einheiten auf die Karte setzen und verschieben. Von den Ressourcen, die für das Bauen der Gebäude und das Ausspielen der Karten verwendet werden, gibt es zwei verschiedene: permanente und temporäre. Die permanenten Ressourcen funktionieren als dauerhafte Rabattierung, wie die Symbole aus 7 WONDERS DUEL. Kann ich sie vorweisen, dann reduzieren sich die Ausspielkosten um drei Münzen. Die temporären nutzen das gleiche Prinzip, müssen nach Nutzung aber abgegeben werden. Dies möchte ich aber vermeiden, denn jeweils drei von den temporären Ressourcen ergeben eine permanente, und das Sammeln dieser verbessert auch mein Einkommen.
Überhaupt kann ich in diesem Spiel relativ viel mein eigenes Tableau verbessern. Beispielsweise auch mit den ausgespielten Karten, die ich über eine Einkommensaktion unter meinen Palast spielen kann. Dort geben sie mir am Ende des Spiels nicht nur Punkte, sondern dauerhafte Effekte.
Neben der ganzen Reihe von Nebenaktionen, von denen ich jeden Zug jede einmal verwenden kann, sind es genau diese Verbesserungen, die das Spiel deutlich in die Länge ziehen. Nehme ich mir einen Würfel, muss ich nämlich jedes Mal prüfen, ob mit der Augenzahl oder der Aktion noch Verbesserungen verbunden sind, die es zu berücksichtigen gibt. Wäre dies nicht genug, haben die unterschiedlich starken Aktionen auch noch einmal Boni, welche genau gegensätzlich in ihrer Stärke aufgebaut sind und mir weitere Handlungen abringen.
So wird aus einem Zug, in dem ich eigentlich nur zwei Karten ziehe, schnell ein Zug, bei dem ich dann noch beispielsweise zwei Münzen einnehme, einen Schritt auf einer Stammesleiste mache, was mir den nächsten Bonus gibt, mit einer Doppelaxt eine Armee bewege, noch schnell ein Volk besiege, eine Bau-Aktion ausführe und dann noch eine Karte ausspiele, … und so weiter.
All die kleinen Elemente sind aber wichtig, wenn ich das Spiel für mich entscheiden möchte. In den Zwischenwertungen geht es zum Beispiel auch darum, in welchen Gebieten ich vertreten bin, wo ich sogar führe und wie viele Höfe ich besitze. Habe ich nicht genügend Karten ausgespielt, dann kann ich diese auch nur gegen Punkte unter meinen Palast spielen und fehlen mir Stammeswertungen, dann bekomme ich andere Dinge nicht.
Von rauchenden Köpfen und anderen Überlegungen
So steigt nicht Rauch über den Dörfern auf, weil sie in Schutt und Asche gelegt wurden. Vielmehr rauchten bei meinen Mitspieler*innen regelmäßig die Köpfe, ob der Vielzahl der Möglichkeiten. Das Spiel bietet immense strategische Tiefe, die jedoch für AP-anfällige Spieler*innen zur Herausforderung wird. Idealerweise geht die Planung nämlich schon bei der Auswahl der Würfel los.
Das Spiel steht auf vielen griechischen Säulen, ist in seinem Aktions- und Ausbauwirrwarr etwas überladen und erzeugte deshalb in meinen Gruppen durchaus gemischte Gefühle.
Dennoch kann ich resümieren, dass mir das Spiel gefällt. Ich kann gut damit leben, dass ich nicht jede Runde den perfekten Zug mache und entscheide mich oft genug intuitiv richtig, um nicht allzu weit abzufallen. Die klaren Zwischenziele und die zufälligen Vasen, die ein Wettrennen um Punkte darstellen, helfen mir den Spielverlauf gut genug zu strukturieren. Außerdem bleibt das Spiel hierdurch so variabel, dass es für mich auch einen hinreichenden Wiederspielreiz aufbaut. Auch nach vier bis fünf Partien habe ich längst nicht das Gefühl, dass ich alles gesehen hätte.
Neben der Variabilität trägt hierzu der gelungene Auswahlmechanismus bei. Mit Würfeln, die in dieser Weise missbraucht werden, hadere ich ohnehin selten und auch der Anteil Area Control verdirbt in diesem Spiel nichts. Im Gegenteil: Daran zu denken, dass ich jede zweite Runde mindestens noch eine Aktion für das Einsetzen und Verschieben meiner Einheiten reservieren sollte – wenn ich nicht ohnehin darauf spiele – macht die 16 Züge, die ich habe, noch etwas enger und damit voraussetzungsvoller.
Wenn ich dann doch länger auf meine Mitspieler*innen warten muss, dann kann ich mir zumindest das hübsch gestaltete Spielbrett und das hochwertige Material näher ansehen. Hier passt also für mich alles.
Das gilt auch für die Anleitung. Bei meiner letzten Besprechung eines Kordonskiy-Titels habe ich ja besonders an dieser Stelle gehadert, die Anleitung für MINOS: ANBRUCH DER BRONZEZEIT ist aber gut gesetzt, ausführlich genug und lässt wenige Fragen offen.
Transparenzhinweis
Für diese Rezension stand mir ein vergünstigtes Rezensionsexemplar zur Verfügung, welches mir Ministerium ohne Auflagen vom Verlag übermittelt worden ist.