Über das Spiel
- Erschienen bei Queen Games
- Autor: Stan Kordonskiy
- BGG-Wertung: 7,8 | Weight: 3,18 | Spieler*innenanzahl: 1-4
Vorwort - Praefatio
Mit seinem neusten Titel Nova Roma begibt sich der deutsche Traditionsverlag Queen Games zum 35-jährigen Firmenjubiläum etwas abseits ausgetretener Pfade. Das Spiel ist anders als der Großteil des aktuellen Programms nämlich keine Eigenentwicklung, sondern zuerst auf Kickstarter bei Half-a-Kingdom Games erschienen, bevor es mit leichten Änderungen seinen Weg ins Verlagsprogramm fand. Ich habe es zuerst auf dem diesjährigen Queen Games-Presseevent spielen können und fand es in der Erstpartie so gut, dass ich gerne eine ausführliche Rezension dazu schreiben wollte. Ob es auch nach mehreren Partien meiner Erwartungshaltung gerecht werden konnte, das lest ihr in den folgenden Abschnitten. Die Übersetzungen zu den thematisch passenden Asterix-Zitaten in den Überschriften findet ihr in den Fußnoten.
Es begab sich zu Rom - „Omnia flumina romam ducunt" [1]
Nova Roma bedeutet in der direkten Übersetzung „Neues Rom“. Das neue Rom ist, wie wir spätestens aus der Beeple Talk Folge 197 mit Oli und mir von Oli erfahren haben, die Stadt Byzanz, also das heutige Istanbul. Diese wollte der damalige römische Kaiser Konstantin der Große ab dem Jahr 324 n. Chr. zur neuen Hauptstadt des Reiches aufbauen. In dem Spiel übernehme ich unter dem wachsamen Auge des Herrschers höchstpersönlich das Oberhaupt einer reichen römischen Familie, welche am Aufbau der Stadt beteiligt ist. Thematisch wird dies so umgesetzt, dass ich eine Reihe von Aktionen zur Auswahl habe, die auf der Makroebene das römische Leben zu der Zeit widerspiegeln: Brot und Spiele, Seefahrt und Bauvorhaben. Auch die Illustrationen unterstützen das Thema ganz hervorragend, wie ich finde. Niemand anderes als der unter dem Künstlernamen „The Mico“ bekannte nordmazedonische Illustrator Mihajlo Dimitrievski hat für das Spiel die Grafiken geliefert, was mir sehr gut gefällt. Im Versionsvergleich zwischen dem Kickstarter und dem von Queen Games herausgegebenen Spiel wurden neben anderen kleineren Änderungen an dieser Stelle noch einige neue Grafiken bei den Anhänger-Karten hinzugefügt (Quelle). Dies empfinde ich als besonders positiv, weil ausschließlich auf diesen Karten Frauen Einzug in das Spiel gehalten haben. Patrizier, Handwerker, Kaiser und Anleitung (generisches Maskulinum) sind ansonsten durchgehend männlich.
Das Grundgerüst - „Felix, qui potuit rerum cognoscere causas" [2]
Mechanisch verbindet Nova Roma Worker-Placement mit der Rastermechanik aus Targi. In jeder Runde setze ich einen meiner drei Patrizier (Worker) in ein 4 × 4 Raster ein. Die variablen Zeilen- und Spaltensymbole an den Kanten geben vor, welche zwei Aktionen mir in dieser Runde zur Verfügung stehen. Zusätzlich muss ich die Anzahl meiner Patrizier in der jeweiligen Zeile oder Spalte aufsummieren. Dies ergibt die Stärke der Aktion. Steht auch der Kaiser – der am Anfang der Runde von dem*der jeweiligen Startspieler*in platziert wird – in der Zeile oder Spalte, kommt noch eine Stärke hinzu, sofern die Aktionsstärke nicht ohnehin schon bei drei liegt. Mit dieser Stärke kann ich dann in beliebiger Reihenfolge meine Aktionen auslösen. Es gibt insgesamt acht unterschiedliche Aktionen. Der Großteil der Aktionen ist mit Mechanismen auf dem Spielbrett oder meinem Spieler*innentableau verknüpft.
So gibt es beim Wagenrennen im Hippodrom etwa einen Wettstreit darüber, wer seinen Wagen am weitesten auf einer von drei Wegen vorn hat. Bin ich der Gewinner, bekomme ich ein Plättchen, welches mir am Ende Siegpunkte gibt. Das Rennen findet in jeder der fünf Runden statt. Anders ist dies bei der Seefahrt auf dem Schwarzen Meer, bei der ich nur einmalig am Ende Punkte für den erreichten Hafen bekomme. Beim Rekrutieren erhalte ich Anhänger*innen, die mir dauerhafte Boni oder Endsiegpunkte geben. In der Produktion kann ich zuvor besorgte Handwerker auf meinen Ländereien einsetzen, die mir dann dringend benötigte Ressourcen liefern, denn alle Aktionen verlangen natürlich eine Bezahlung durch diese.
Zum Beispiel ist dies bei der Bauaktion der Fall. Hier konkurriere ich mit meinen Mitspielenden nicht nur um die interessantesten Bauaufträge, sondern auch um Bauplätze, die in drei verschiedenen Landschaftsteilen Sofortboni und ebenfalls Endsiegpunkte bringen.
Einen nicht unerheblichen Anteil dieser Punkte sammle ich aber ohnehin über die asymmetrischen individuellen Errungenschaften, die auf dem Mosaik-Tableau abgebildet sind. Diese sind in drei Zeilen mit unterschiedlichen Punkten aufgeteilt. Die leichteren Errungenschaften geben logischerweise weniger Punkte. Zudem gibt es für gefüllte Zeilen, Spalten und Diagonalen noch weitere Sofortboni und Extrapunkte am Ende. Alle Ziele kann ich jedoch nicht erfüllen. Zu Beginn habe ich nur vier Errungenschaftsmarker zur Verfügung. Drei weitere kann ich mir im Hippodrom erspielen. Auch hier muss ich also meine Entscheidungen gut abwägen. Pro Runde darf ich zudem nur einen Marker platzieren. Alles auf die letzte Spielsekunde zu schieben, geht deshalb nicht.
Vielfalt gefällt - „Variatio delectat“
Ohnehin ist die Entscheidungsvielfalt das, was mich an diesem Spiel auch nach mehreren Partien begeistert. Bereits beim Einsetzen des Kaisers kann ich als Startspieler wichtige Akzente für die kommende Runde setzen, denn eine Stärke mehr zu haben, eröffnet mir bei einigen Aktionen einen viel größeren Raum. Gleichzeitig bin ich gezwungen vor- und dann immer wieder umzuplanen, wenn meine Mitspieler*innen mir die Plätze wegnehmen, die ich eigentlich auserkoren hatte. Das Spiel erfährt hierdurch viel Interaktion. Dies gilt auch für die unterschiedlichen Aktionsbereiche. In Abhängigkeit von meinen eigenen verfügbaren Errungenschaften und dem Handeln der Mitspieler*innen, muss ich auch hier bereit sein, vielleicht doch die eine oder andere Errungenschaft doch noch fallen zu lassen. Einen eindeutigen Kaiserweg zum Sieg gibt es nicht. Sowohl das Wagenrennen und damit verbunden potenziell viele Endsiegpunkte, als auch Seefahrt, Gefolgschaft oder ein Baufokus sind Erfolg versprechend.
Was die Spieler*innenanzahl angeht, so ist das Spiel mit vier Personen sehr viel enger als mit drei Personen. Beide Varianten haben jedoch ihre Vorzüge. Dadurch, dass es kaum Möglichkeiten für Kettenzüge gibt, ist das Spiel auch nicht sonderlich anfällig für langsame Mitspieler*innen.
In der 2-Personen-Variante kommen noch Legionäre hinzu, die von mir selbst gelenkt werden und die einzelnen Felder auf dem Raster abdecken, mich aber keine Aktionen auslösen lassen. Ich finde, dass dies eine gute Lösung ist, auch wenn ich für dieses Spiel klar eine höhere Spieler*innenanzahl bevorzuge. Bei BGG hat sich bereits jemand über einen möglichen Einsatz der Legionäre bei drei Personen erkundigt, um die Enge der 4-Personen-Variante zu erhalten.
Die durch die Aktionen ausgelösten Mini-Spiele sind unterm Strich für mich ganz interessant, wenn auch längst nicht so innovativ wie der Kernmechanismus. Mein klarer Favorit ist dabei das Wagenrennen, welches eigentlich in jeder Partie spannende Situationen liefert.
Kleinere Ungereimtheiten - „Dat veniam corvig, vexat censura columbas" [3]
Spielerisch habe ich also Freude an Nova Roma und empfinde es insgesamt als sehr gutes Spiel. Leider wirkt es jedoch so, als wenn es vor der Freigabe keine letzte Korrekturschleife mehr gegeben hätte. Ein paar Kleinigkeiten wirken darauf aus meiner Sicht hin:
- Queen Games hat sich dazu entschieden, das Layout der Kickstarter-Anleitung zu übernehmen. Diese ist insgesamt auch gut strukturiert, wirkt aber durch die vielen verschobenen Absätze sehr unruhig. Beispiele, die das Lesen vereinfachen würden, sind nur an wenigen Stellen vorhanden und die Logik zwischen Fettdruck, farblicher Hervorhebung und Kursivschreibung erschließt sich mir auch nicht. Die doch größere Anzahl von Tipp- und Zeichensetzungsfehlern lässt sie etwas unfertig wirken und unterstützt meine obige These.
- Ferner lässt die Anleitung auch an einigen Stellen Fragen offen. Zum Beispiel wird nicht erklärt (oder ich habe es nicht gefunden), ob alle Schiffe auf die letzten beiden goldenen Häfen einfahren dürfen. Auf dem ersten der drei Häfen ist ein Unendlichkeitszeichen abgebildet, was die Vermutung nahelegt, dass es Unterschiede zwischen den Häfen gibt und hier ein weiteres Wettrennen stattfindet. Andere Informationen sind teilweise gut versteckt oder unpräzise, wie die Tatsache, dass die Einmaleffekte der Spezial-Anwesenplättchen erst beim erstmaligen Besetzten getriggert werden. Dies findet sich bei den Erklärungen zu den einzelnen Plättchen, aber nicht bei denen der Aktion. Oder, dass die Tierplättchen nur besetzt werden dürfen, wenn ich eine Dompteurin habe.
- Irgendwann im Entwicklungsprozess wurde entschieden, dass das Spiel eine Kramer-Leiste enthalten muss. Letztlich werden auf dieser aber erst am Ende die Siegpunkte abgetragen – dann hätte es auch die Leiste, die ja etwas Platz wegnimmt, nicht wirklich benötigt. Ansonsten sind Spielbrett, Material und Symbolik überwiegend gut gestaltet und nachvollziehbar. Nur ein „each“ hat sich auf eines der Errungenschaftsplättchen eingeschlichen, statt dort ebenfalls ein Symbol zu verwenden. Die Symbolik der Petitionsaktion muss ich ebenfalls jedes Mal aufs Neue erklären, weil sie verwirrend ist.
- Ich fand sehr schade, dass es bei diesem Spiel kein Insert gibt, nachdem Queen Games bei Dabba Walla gezeigt hatten, dass sie auch sehr taugliche Lösungen mitliefern. Ärgerlicherweise waren auch nicht genügend Tüten vorhanden, um das Material ordentlich zu verstauen. Normalerweise kein Problem, da jeder Brettspielhaushalt natürlich Tüten im Übermaß zu Hause hat, in dem Fall hatten wir das Spiel aber direkt nach der Messe ausgepackt und mussten dann das ganze Material unsortiert wieder in die Verpackung kippen.
All diese Dinge machen das Spiel nicht schlechter. Queen Games möchte jedoch als Qualitätshersteller brillieren. Da fände ich es umso schöner, wenn sich der Anspruch auch an allen Stellen spüren lässt. Übrigens: Das Spiel wird komplett in Europa produziert – eine großartige Sache, wie ich finde.
Transparenzhinweis
Für diese Rezension stand ein kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung, welches dem Ministerium ohne Auflagen vom Verlag übermittelt worden ist.
Abschließende Bewertung – „Quot capita tot sensus” [4]
Fußnoten
- „Alle Flüsse führen nach Rom.“
- „Glücklich ist, wer alles versteht!“
- „Den Raben verzeiht, die Tauben plagt die Kritik.“
- „So viele Köpfe, so viele Meinungen.“