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Galileo Galilei – Herr, halt mir die Inquisition vom Halse

von Johannes

Über das Spiel

Einleitung

Die Menge aller Errungenschaften aufzulisten, die auf Galileo Galilei zurückzuführen sind, würde allein einen ganzen Blog füllen. Der Universalgelehrte hat sehr viele bahnbrechende Erkenntnisse, insbesondere in der Astronomie geliefert. Noch zu Lebzeiten wurde ihm dies allerdings auch zum Verhängnis. Der streitbare Forscher wurde wegen Ketzerei verurteilt und entkam nur durch eine Notlüge dem Scheiterhaufen. Erst im Jahr 1992 erfolge seine Rehabilitation.

Der Ambivalenz zwischen Forschung und Inquisition hat der diesjährige Überraschungsautor Tomáš Holek ein Kennerspiel mit Namen des bedeutenden Forschers gewidmet. Die anderen beiden Titel des Erstlingsautors – und das war die Überraschung für mich –, die ebenfalls dieses Jahr erschienen sind, sind das vielfach hochgelobte SETI: Search for Extraterrestrial Intelligence und TEA GARDEN.

Thematischer Rahmen und mechanische Ausgestaltung

In GALILEO GALILEI übernehme ich die Rolle eines Astronomen des 16./17. Jahrhunderts. Vier bedeutende männliche Persönlichkeiten stehen zur Auswahl: Galileo Galilei, Johannes Kepler, Nicolaus Kopernikus und Giordano Bruno. Für das Spiel in der Normalvariante spielt es keine Rolle, welche der Personen ich wähle. Im Expertenmodus bringen sie jedoch Fertigkeiten mit, die in der Anleitung auch thematisch eingebettet sind. Bruno hatte zum Beispiel besonders viele Probleme mit der Kirche und wurde auch hingerichtet, was in seinen Fertigkeiten reflektiert wird.

Überhaupt wurde das Spiel „sowohl historisch als auch astronomisch möglichst akkurat umgesetzt. Dafür hat der Originalverlag Pink Troubadour eng mit dem Observatorium und Planetarium Prag zusammengearbeitet. Gerade bei den Bezeichnungen und den grafischen Darstellungen haben sie viel Wert auf wissenschaftliche Genauigkeit gelegt“ (Frosted Games).

Dies zeigt sich auch bei den Tätigkeiten, die ich als Astronom ausführen kann. Im Wesentlichen möchte ich zunächst Würfel in den Spektralfarben sammeln, um anschließend mit meinem Teleskop Himmelskörper und -erscheinungen zu beobachten. Diese werden im Anschluss in wissenschaftliche Erkenntnisse überführt. Bekomme ich dabei Punkte, werden diese auf einer Kramerleiste abgetragen. Die eigentlichen mechanischen Clous des Spiels sind aber zwei andere Elemente:

  1. Das vor mir liegende Teleskop ist die Steuerung für den Aktionsauswahlmechanismus. Pro Zug darf ich das Teleskop um ein bis drei Felder drehen (neu ausrichten) und dann eine Kombination aus dunkler und heller Aktion auf dem gewählten Feld ausführen. Die hellen Aktionen befinden sich auf einem variablen Halbkreis und werden anschließend aus dem Slot entfernt und unten wieder eingesteckt, sodass der Rest hochgeschoben wird. Hierdurch verändern sich die verfügbaren Aktionskombinationen aus dunklen festen und hellen rotierenden Aktionen beständig. Ist das Teleskop oben angekommen, dann fängt es unten erneut an. Die Aktionen sind dabei thematisch stimmig und umfassen zum Beispiel die Beobachtung von Himmelskörpern, Himmelskonstellationen und Kometen, das Erhalten und Manipulieren von Lichtwürfeln, oder die Verbesserung meines Teleskops, indem die hellen Aktionen umgedreht werden. Daneben stehen mir mittels einer Ressource noch freie Aktionen zur Verfügung.
  2. Viele Elemente des Spiels – vor allem die Aktionen Beobachten und Lehren – bescheren mir nicht nur Ressourcen oder Punkte, sondern auch den Besuch von Inquisitoren, die sich in meinem Keller treffen. Mein Keller hat mehrere Räume und alle beginnen im ganz linken Raum. Jede*r Inquisitor, der*die am Ende des Spiels in diesem Raum steht, gibt mir acht Minuspunkte. Ich muss die Inquisitoren deshalb davon überzeugen, dass ich unschuldig bin. Tue ich das, dann kann ich sie nach rechts bewegen, bis sie im letzten Raum sogar Pluspunkte bringen. Leider führt jede Überzeugung aber auch dazu, dass ich am Ende meines Zuges von den Inquisitoren befragt werden. Die Inquisitoren, die ich vollständig überzeugt habe, sprechen dabei zu meinen Gunsten aus, alle anderen aber zu meinen Ungunsten. Das Ergebnis der Aufsummierung aller Werte wird auf der Ketzerei-Anzeige festgehalten, welche mir im schlimmsten Fall direkten Punktabzug gibt und auch in der Endwertung noch einmal berücksichtigt wird.

Auf zur fröhlichen Inquisition - meine Meinung

Die Inquisition ist für mich das spannendste Element in diesem Spiel, welche es klar aus der Masse der vielen Euro-Spiele des Jahrganges heraushebt. Statt einfach nur meine Züge zu planen, um möglichst effizient die einzelnen Aktionen ausführen zu können, muss ich stets auch die Inquisition im Auge behalten. Die Inquisition ist damit nicht nur ein lustiger Sidekick (sofern man die Schrecken der Inquisition überhaupt als lustig bezeichnen kann), sondern eines der Hauptelemente und nicht allzu selten sogar eine echte Herausforderung, die viel Planung voraussetzt.

Aber auch abseits dessen ist GALILEO GALILEI sehr gut gemacht, mit vielen klugen Einfällen und durchdachten Kleinigkeiten. Der Auswahlmechanismus, den ich weiter oben schon erklärt hatte, funktioniert fantastisch. Die Planung der Spektralwürfel ist vielseitig und wird dadurch unterstützt, dass es sich nicht um Standardwürfel handelt. Analog zur verwendeten Symbolik kann ich diese nämlich genau so drehen, wie angegeben. Oder, um ein weiteres Beispiel zu nennen, die Endsiegpunkte, die im hauptsächlich durch Plättchen auf mehreren Universitätstracks ausgeschüttet werden („Themen“), verhalten sich immer komplementär zu den in einem Wettrennen erreichbaren Zwischenzielen („Errungenschaften“). Der Grund hierfür ist einfach: Die Plättchen sind alle doppelseitig gestaltet und werden zufällig verteilt. Zwischenziele tauchen deshalb nicht bei den Endzielen auf und umgekehrt.

Im Gegensatz zu RESAFA (siehe meine Rezension) finde ich überdies die Symbole und Grafiken von Michal Peichl in diesem Spiel sehr gelungen. Die Planeten sind großartig umgesetzt und das Spiel hat in seiner Gesamtheit eine tolle Tischpräsenz. Nur auf Basis des Covers des Spiels hatte ich dies nicht erwartet.

Auch die Anleitung ist insgesamt gut gelungen. Der Text ist verständlich, ergibt vom Aufbau her Sinn und die Beispiele sind passend gewählt. Nur die Erklärung der Rotation war in unserer Runde aufgrund der gewählten Abbildung nicht komplett zufriedenstellend.

Etwas stört mich allerdings am Spiel dann doch und das ist, dass Frauen schlichtweg nicht vorkommen. Ich glaube, dass es auch vor dem Hintergrund des historischen Themas durchaus möglich gewesen wäre, hier etwas mehr Gender-Balance hineinzubringen. Die Gründe, warum dies notwendig ist, sollten allseits bekannt sein.

Auch der Wiederspielwert dürfte bei GALILEO GALILEI insgesamt nicht allzu hoch sein. Die Errungenschaften und Themen sind zwar variabel, aber schon bei den Planeten ergibt sich nicht allzu viel Abwechslung. Wer auf allzu viel Interaktion hofft, der dürfte ebenfalls enttäuscht sein. Sterne beobachten ist eine einsame Tätigkeit und so kommen mir meine Mitspieler*innen eigentlich nie wirklich in den Weg.

Immerhin muss ich dafür selten lange auf meinen Zug warten. GALILEO GALILEI spielt sich sehr schnell runter und skaliert dabei auch noch gut über die verschiedenen Spieler*innenanzahlen.

Insofern ist es wohl ein Spiel, welches eher selten mal gespielt wird, aber dann durch Geschwindigkeit und die Inquisitor*innenmechanik viel Freude bereitet. Aufgrund des spielerischen Niveaus im Kennerspielbereich steht dem schnellen Ziehen aus dem Schrank auch keine Regelhürde entgegen.

Transparenzhinweis

Für diese Rezension stand mir ein kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung, welches mir ohne Auflagen vom Verlag übermittelt worden ist.

Abschließende Bewertung des Ministeriums

„GALILEO GALILEI hat mich positiv überrascht. Statt Yet-Another-Euro bringen die Inquisitor*innen etwas Würze in den doch oftmals Tristen Euro-Alltag. Die gelungene Ausgestaltung schafft eine schöne Tischpräsenz und das Spiel eignet sich bestens für Spieleabende, an denen ein Spiel mit taktischer Tiefe, aber flottem Spielgefühl gesucht wird. Schade nur, dass nicht auf die Gender-Balance geachtet wurde.“
Johannes
Brettspielminister

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