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Der Herr der Ringe – Duell um Mittelerde = das bessere 7 Wonders Duel?

von Johannes

Über das Spiel

Vorwort

Ich muss vorweg zugeben, dass ich schon mit der ersten Ankündigung des Titels selbst ein wenig gehyped war. „Der Herr der Ringe – Duell um Mittelerde“ sieht sich als Reimplementation von „7 Wonders Duel“ – ein Titel, den ich mit meiner Frau viel gespielt habe. Das Herr der Ringe-Universum empfinde ich zudem immer noch als spannend und so landete das Spiel (Achtung: Spoiler) auch auf meiner Preview-Liste für den entsprechenden Beeple Road to Essen-Podcast-Beitrag, welcher am 25. September 2024 erscheinen wird. Zwischenzeitlich habe ich das Spiel jedoch schon auf einem Pre-Release-Event erhalten und konnte einige Partien mit meiner Frau und Personen bei dem Event spielen. Für mich ist das Grund genug, zu überprüfen, ob mein eigener Hype gerechtfertigt war.

Auf der Jagd nach dem Ring

Wie bereits am Namen erkennbar bewegen wir uns bei diesem Spiel im Herr der Ringe-Universum. Als Duell ist dies so umgesetzt, dass ein*e Spieler*in die Rolle von Sauron übernimmt, während die andere Person die Gemeinschaft der Gefährten spielt. Ziel der Gemeinschaft ist es, den einen Ring in das Feuer des Schicksalsberges in Mordor zu werfen, während Sauron dem Ring habhaft werden möchte. Das Spiel beginnt für die Gefährten in Form von Frodo und Sam samt Ring irgendwo auf der Hälfte des Weges vom Auenland nach Mordor, während Saurons Nazgûl (schwarze Reiter) im Auenland starten.

Spielmechanisch ist diese Information insofern wichtig, als sie eine der drei Siegbedingungen tangiert:

  1. Erreichen die Nazgûl die Gemeinschaft des Rings auf der sogenannten Ringleiste, dann gewinnt Sauron sofort. Schafft es die Gemeinschaft zum Schicksalsberg, dann gewinnt sie sofort das Spiel.

Die Ringleiste übernimmt dabei die Funktion der alten Konfliktleiste aus 7 Wonders Duel, nur, dass es sich hier weniger um ein Tauziehen, als um ein Rennen handelt. Das Rennen wirkt dabei etwas wie dem neuen Klaus-Jürgen Wrede-Titel „Herr der Ringe – der Ringträger“ entnommen, aber besser umgesetzt und ins Spiel integriert. Für mich fühlt sich das Rennen zudem stimmiger an, als es die Konfliktleiste bislang war.

Auch ein zweites Element aus dem alten Spiel findet sich wieder, nämlich die Forschung, welche jetzt Bündnisse mit den verschiedenen Völkern Mittelerdes sind. Habe ich zu einem Zeitpunkt zwei Bündniskarten eines Volkes, dann darf ich mir einen Bündnismarker aussuchen, der einmalige oder permanente Boni gibt. Habe ich drei verschiedene Marker, dann bekomme ich einmalig einen der drei obersten Marker der Völker und somit diesen Bonus. Und natürlich gilt auch hier wieder eine Siegbedingung:

  1. Habe ich sechs verschiedene Völkersymbole gesammelt, dann gewinne ich das Spiel sofort.

Die dritte Siegbedingung hingegen fußt auf einem neuen Element. Mit dem Spiel wird eine Karte von Mittelerde mitgeliefert, in die sieben Städte eingezeichnet sind. Im Spiel erhalte ich immer wieder Gelegenheit, Einheiten oder Türme in die Städte ein- oder umzusetzen. Einheiten der beiden Parteien werden gegeneinander aufgerechnet und dann vom Plan entfernt, sodass immer nur Einheiten einer Fraktion pro Stadt vorhanden sein können. Jede Stadt, in der ich Einheiten oder einen Turm habe, gilt für mich als vertreten.

  1. Schaffe ich es zu irgendeinem Zeitpunkt in allen sieben Städten die Vorherrschaft zu erlangen, dann gewinne ich ebenfalls das Spiel sofort.

Wird keine der Bedingungen während des Spiels erfüllt, dann endet das Spiel nach dem dritten Zeitalter und die Person gewinnt, die in mehr Gebieten die Vorherrschaft hat. Die Punkte-Zählerei, die es noch in 7 Wonders Duel gab, entfällt also gänzlich. Das ist auch gar nicht notwendig, denn zumindest der Großteil der Parteien, die ich bisher gespielt habe, endeten vorzeitig und das ist in meiner Erfahrung ein Unterschied zum spielerischen Vorgänger.

Auf Seiten der Basismechanik wurde das Spiel etwas vereinfacht, wenngleich das Grundprinzip bleibt. Zu Beginn jeder der drei Zeitalter werden Karten verdeckt und offen nach einem bestimmten Muster ausgelegt. Bin ich an der Reihe, dann darf ich mir eine Karte nehmen, die frei auf dem Tisch liegt (also nicht von anderen Karten verdeckt wird) und ihre Effekte ausführen. Es gibt graue, grüne, blaue, gelbe, rote und lila Karten, die zudem jeweils noch mit einem Code für Farb-Sehschwäche versehen wurden. Durchaus hilfreich auch bei schlechten Lichtverhältnissen. Graue Karten liefern Ressourcen. Diese werden benötigt, um andere Karten zu bauen, die gegebenenfalls Ressourcenbedingungen aufweisen. Habe ich die Ressourcen nicht, dann kann ich alternativ auch ein Gold pro fehlender Ressource bezahlen. Dies ist einfacher als noch bei 7 Wonders Duel, wo der Preis für fehlende Ressourcen variabel und von meinem*meiner Mitspieler*in abhängig war.

Grüne Karten helfen mir Bündnisse mit den verschiedenen Völkern zu schmieden. Blaue Karten lassen mich auf der Ringleiste nach vorne schreiten, gelbe geben mir Gold, rote ermöglichen es Einheiten einzusetzen und lila Karten haben schließlich direkte negative Effekte für meine*n Gegner*in. Wenn keine Karte für mich passend ist, kann ich auch eine zerstören und bekomme dafür Gold. Alternativ kann ich zudem eine offen liegende Stadtkarte erfüllen und mir nehmen. Dafür gibt es immer einen Turm und weitere Boni. Persönliche Karten, die analog zu den Weltwundern aus 7 Wonders Duel funktionieren, gibt es nicht mehr – diese wurden vollständig von den offenen Stadtkarten absorbiert.

So nehme ich also abwechselnd mit meinem*meiner Mitspieler*in jeweils eine Karte oder baue eine Stadt, bis die Karten am Ende jedes Zeitalters aufgebraucht sind oder eine der Siegbedingungen erfüllt ist. Je nachdem, wie entscheidungsfreudig ich bin, ist das Spiel dadurch angenehm kurz und lädt womöglich direkt zu einer Revanche mit Seitenwechsel oder ohne ein.

Bevor ich gleich auf das Spielgefühl eingehe, möchte ich noch kurz das Material beleuchten. Dieses halte ich nämlich für sehr gelungen. Die Ringleiste besteht aus einem festen Pappstreifen, auf den eine durchsichtige Plastikschiene gelegt wird. In diese wiederum kommen die schwarzen Reiter. Das ist funktional und sieht gut aus, zumal so die ganze Zeit die schönen Grafiken von Vincent Dutrait sichtbar sind. Vollends überzeugt hat mich aber das durchdachte Papp-Insert. Wie oft kommt es schon vor, dass die mit dem Spiel gelieferten Materialen wirklich sinnvoll in ein Insert passen? Genau!

Die Anleitung des Spiels ist insgesamt zweckmäßig, wenn auch nicht überragend. Sie hat aber geholfen, die Dinge zu korrigieren, die bei der Erklärung nicht oder nicht richtig rübergebracht wurden. Das Spiel kommt zudem mit einer Spieler*innenhilfe, auf der die wichtigsten Symbole sowie Funktionen der Städte und Bündnisplättchen noch einmal erklärt sind.

Und wie fühlt es sich jetzt an?

Was das Spielgefühl angeht, hat mich das Spiel mehrere emotionale Phasen durchleben lassen. Nach den ersten zwei Partien war ich enttäuscht, denn ich hatte einen Titel erwartet, der sich wie 7 Wonders Duel anfühlt. Dann hatte ich erst das Gefühl, dass es sich „nur“ um einen einfacheren zugänglichen Klon handelt. Und schließlich, nach noch mehr Partien, muss ich die Eigenständigkeit des Spiels anerkennen.

Der Hauptunterschied ist aus meiner Sicht die Verlagerung auf die – in der alten Logik – alternativen Siegbedingungen, die hier zur Hauptsiegbedingung aufgeschwungen sind. Statt zwei Zielen, die auf Konflikt basieren, gibt es jetzt drei. Das Spiel ist im Vergleich dadurch noch konfrontativer. Ich bin gezwungen noch mehr als ohnehin schon auf meine Mitspielenden zu achten und an drei Fronten gleichzeitig Pläne zu durchkreuzen: Bündnisse, Städte-Vorherrschaften und das Wettrennen um den Ring. Das Spiel erhält in dieser Version also noch etwas mehr Duell-Charakter, was thematisch durchaus passend ist. Die Jagd nach dem Ring ist ja auch aufregender als ein Duell der Baumeister – selbst wenn diese militärisch vorgehen.

Brauche ich das Spiel also, wenn ich schon 7 Wonders Duel (möglicherweise sogar mit Erweiterungen) zu Hause habe? Wenn ich es noch ein wenig konfrontativer haben möchte, oder mich das Herr der Ringe-Universum mehr abholt als Weltwunder, dann aus meiner Sicht schon. Ohnehin nehmen die Schachteln ja nicht allzu viel Platz weg und ich kann mir schon vorstellen, dass wir in Zukunft mal das eine oder das andere – je nach Gusto – spielen. Ganz ersetzen wird es 7 Wonders Duel für uns aber nicht, zumal wir auch die Erweiterungen im Haus haben, die das Spiel noch weiter ergänzen.

Transparenzhinweis

Für diese Rezension stand ein kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung, welches ich auf einem Pre-Release-Presseevent vom Verlag erhalten habe.

Antizipierte Frequently Asked Questions

Da zwei Fragen immer wieder beim Spielen auftauchten und ich glaube, dass sich nach Release diese Fragen auch andere Personen stellen werden, möchte ich diese als besonderen Service des Ministeriums für Brettspielspaß direkt mit adressieren, da sie im Regelheft nicht so deutlich wurden:

Wie viele Einheiten dürfen pro Bewegung bewegt werden?

Seite 5 der Anleitung zeigt im unteren Bereich einen Pfeil. Hier steht klar, dass eine Einheit bewegt werden darf. Leider steht dies nicht auf der Symbolübersicht.

Muss eine Karte abgeworfen werden, wenn ein Ortsplättchen genommen wird?

Dies ist aus meiner Sicht nicht der Fall. Seite 3 der Anleitung beschreibt, dass entweder Karten oder Ortsplättchen genommen werden. Dies ist auch ein Unterschied zu 7 Wonders Duel, bei dem das Bauen von Weltwundern Karten verbrauchte.

Abschließende Bewertung des Ministeriums

„Ist Herr der Ringe – Duell um Mittelerde nun das bessere 7 Wonders Duel? Nein, das ist es mit Sicherheit nicht. Letztendlich sind die Spiele auch nur auf den ersten Blick identisch, denn durch die Verlagerung auf die Siegbedingungen unterscheiden sich die Spiele im Spielgefühl und im Spielverlauf aus meiner Sicht beträchtlich. So haben es die Autoren geschafft, im neuen thematischen Gewand das hervorragende 7 Wonders Duel durch den Wechsel auf drei Konfliktziele noch einmal so anzupassen, dass ich das Gefühl habe, durchaus beide im Schrank haben zu können. 7 Wonders Duel für das leicht konstruktivere Erlebnis und Herr der Ringe für die beinharte Konfrontation. Zudem finde ich, dass das Thema hier ausnahmsweise ganz hervorragend zum Spiel passt.“
Johannes
Brettspielminister

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