Über das Spiel
- Erschienen bei GAME FACTORY
- Autoren: Jérémy Ducret, Romaric Galonnier
- BGG-Wertung: 7,0 | Weight: 2,00 | Spieler*innenanzahl: 2
Auf nach Babylon
Der babylonische König Nebukadnezar II. war, so will es die Überlieferung, ein Mann großer Gesten. Für seine Frau Amytis, die ihre grüne Heimat vermisste, ließ er die berühmten Hängenden Gärten errichten – ein architektonisches Liebesversprechen, das zwischen Mythos und Geschichte schwebt.
Diese Legende bildet den Rahmen für EINE STADT FÜR AMYTIS, die neue Zwei-Personen-Veröffentlichung von GAME FACTORY. Das Spiel nimmt sich dieses antiken Stoffes nicht erzählerisch, sondern strukturell an: als Ordnung, als System, als Versuch, Schönheit und Kontrolle (über Punkte) in Einklang zu bringen.
Wir übernehmen die Rolle der Baumeister*innen – wobei der Verlag in seiner Beschreibung kurioserweise nur männliche Baumeister erwähnt. Danach aber zeigt das Spiel, dass es in puncto Design und Spielgefühl deutlich feinfühliger konstruiert ist, als dieser Schnitzer vermuten lässt.
Mechanik
Im Zentrum des Spiels stehen Raster. Bin ich am Zug, dann darf ich eines von einem der neun offenen Plättchentürme aus der Mitte nehmen und in mein eigenes 3 × 3-Raster einbauen. Dies ist der Bauplatz für meine Stadt. Auf den Plättchen sind sechs verschiedene Orte der Stadt abgebildet, die auf unterschiedliche Art und Weise punkten. Mal nach gleichen Farben, mal nach Position in der Stadt. Für Paläste bekomme ich nur einen Punkt pro offenem Palast in meiner Stadt, darf mir dafür aber eine Auftragskarte nehmen. Diese verlangen bestimmte Farbmuster zu legen und geben am Ende mächtig Punkte. Das ist aber keineswegs der einzige Weg zum Sieg.
Die Plättchenauswahl erfolgt über den Einsatz von Arbeiter*innen („Architekten“) – insgesamt vier pro Person. Schaffe ich es, auf dem mittleren Tableau in Tic-Tac-Toe-Manier eine Reihe oder Diagonale vollzumachen, dann muss ich im nächsten Zug sofort alle meine Arbeiter*innen aus der Mitte zurücknehmen, was meinem*meiner Mitspieler*in mehr Auswahl gibt. Dafür darf ich mir aber auch sofort eine Gunst des Königs aussuchen – auch diese schütten am Ende des Spiels Punkte aus, meist multiplikativ. Ansonsten nehme ich immer meine Arbeiter*innen zurück, wenn alle vier gesetzt wurden.
Zwischen diesen Zügen befinde ich mich in einem permanenten strategischen Spannungsfeld, einem beinahe vierdimensionalen Entscheidungsraum:
- Welches Plättchen wähle ich, um den unmittelbaren Punktgewinn zu optimieren?
- Welches Plättchen passt farblich am besten zu meinen Aufträgen?
- Wo setze ich meine Arbeiter*innen ein, um eine Reihe zu vervollständigen?
- Welche Option muss ich meinem Gegenüber dringend verwehren?
Schon nach wenigen Zügen entsteht ein komplexes Netz strategischer Rückkopplungen. Jede Entscheidung wirkt in zwei Richtungen – konstruktiv und destruktiv, eigennützig und defensiv zugleich.
EINE STADT FÜR AMYTIS gelingt es auf bemerkenswerte Weise, mit einem schlanken Regelwerk ein interaktives Duell mit angenehmer Tiefe zu schaffen. Es geht nicht nur um Planung, sondern um das kluge Reagieren auf die Züge der Gegenseite. Der Reiz liegt weniger im Punktesammeln als in der Erfahrung von Balance. Die Regeln sind überschaubar, die Wirkung komplex: Ein falsch gesetztes Plättchen, ein zu früher Zug – und die gesamte Architektur kippt.
Für zusätzliche Varianz sorgen nicht nur die unterschiedlichen Aufträge und Plättchen, sondern auch die beiden Wertungsseiten (A und B), die sich beliebig kombinieren lassen. Zur besseren Übersicht liegen passende Erinnerungskärtchen bei.
Hier liegt auch mein letzter, kleiner Kritikpunkt: Die Plättchen sind zwar schön gestaltet, doch ihre Wertungsart ist nicht auf den ersten Blick erkennbar. Zudem fällt es mir bis heute schwer, die einzelnen Gebäudetypen zuverlässig zu unterscheiden, weshalb ich regelmäßig einen Blick auf die Hilfekarten werfen muss.
Transparenzhinweis
Für diese Rezension stand mir ein kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung, welches mir ohne Auflagen vom Verlag übermittelt worden ist.
Abschließende Bewertung des Ministeriums