Über das Spiel
- Erschienen bei Simon & Jan
- Autorin: Lisa Stegelin
- BGG-Wertung: – | Weight: – | Spieler*innenanzahl: 2-6
Einleitung
Seid ihr auch so große True Crime-Fans wie meine Frau und ich? Mordlust und Zeit Verbrechen sind seit Jahren bei uns fester Bestandteil der Podcast-Rotationen. Die Faszination für die Krimis ist in jedem Fall, insbesondere bei Frauen, weit verbreitet und weit älter als das Medium Podcast. Mit der True Crime-Welle und den Escape-Spielen als Zugpferd ist das Thema auch im Brettspielbereich weiterhin en vogue. Zwei neuere Spiele, die uns bislang unbekannt waren, haben wir bei der SPIEL 2024 beim sonst eher für Geschenk- und Partyspiele bekannten Verlag Simon & Jan mitgenommen. Wie sie meiner Frau und mir gefallen haben, das erfahrt ihr in den folgenden Absätzen.
Spielsystem und Inhalt: CLOSE THE CASE
Die beiden Spiele aus der Reihe CLOSE THE CASE setzen auf ein in meiner Wahrnehmung mittlerweile klassisches System für Krimispiele: Die Spiele bestehen im Wesentlichen aus einer kleinen Box, in dem eine Art Fallakte sowie ein Begleitschreiben enthalten ist. Das Begleitschreiben gibt uns eine Art Einführung aus Sicht der übermittelnden Person. Wir erhalten also eine Aufgabenbeschreibung, die uns als einzige Ermittler*innen herausstellt, die herausbekommen können, was die ermittelnden Behörden nicht geschafft haben. Die Fallakte enthält bisherige Rechercheergebnisse, Dokumente, Rechnungen und Bilder.
Der erste Schritt ist deshalb immer gleich: Material sichten, lesen, sortieren und miteinander verknüpfen. Bei der Sichtung wird auch klar, dass weitere Quellen mit einbezogen werden. Dies sind primär Internetseiten, aber zum Beispiel auch anzurufende Telefonnummern. Füge ich Informationen richtig zusammen, dann komme ich bei den verschiedenen Quellen weiter und habe anschließend neue verknüpfbare Informationen.
CLOSE THE CASE kommt ohne weitere handlungsleitende Fragen aus. Bin ich der Meinung, dass ich den Fall gelöst habe, dann kann ich zur Lösung fortschreiten, die auf einer Internetseite zu finden ist. Auf der gleichen Seite befindet sich auch das Hilfesystem. Dieses ist so gestaltet, dass zu allen vorliegenden Dokumenten Hinweise angegeben sind, die sich durch Aufklappen anzeigen lassen. Da es kein Punktesystem gibt, ist das auch ausreichend. Informationen zu Webseiten und E-Mail-Adressen gibt es nach Eingabe der jeweiligen Adresse. Dies haben wir beim ersten Fall einmal getestet, funktionierte jedoch nicht zuverlässig. Schade, denn dadurch kamen wir (und das war das einzige Mal) nicht weiter.
Die Lösung kann ich ebenfalls über einen Klick auf einen Button aufrufen. Bei beiden Fällen gibt es statt einer schriftlichen Lösung ein aufwendig gestaltetes Auflösungsvideo, welches die gesamten Ereignisse des Falls beschreiben. Da die Videos rund 15 Minuten gehen, haben wir es uns hierfür auf dem Sofa gemütlich gemacht. Mit Popcorn wäre das fast ein Kinoerlebnis gewesen.
Thematisch bedienen sich die Fälle zwei Klassikern der Kriminologie. Der erste Fall DER FALL HILDENBERG ist ein bislang ungeklärter Todesfall. Eine junge Frau wurde tot im Wald gefunden. Die Polizei kann den Fall aber nicht lösen, obwohl es einige Verdächtige gibt und es klar ein Mord zu sein scheint. In Folge bittet uns die Mutter doch Nachforschungen anzustellen. Zahlreiche gut gestaltete Nebenfiguren, wie die Zwillingsschwester, füllen den zentralen Plot auf.
Bei WO IST DAVID M.? steht die drängendste Frage schon im Titel. Der junge Unternehmer David M. ist verschwunden und niemand kann ihn finden. Wie gut, dass sich zumindest dessen Tante Sorgen macht und uns mit der Suche beauftragt. Auch hier eröffnet eine große Anzahl schön gezeichneter Figuren viele mögliche Spuren, von denen aber nur eine die richtige ist.
Hält CLOSE THE CASE, was es verspricht?
Dass die einzelnen Personen im Spiel so gut ausgearbeitet sind, das dürfte nicht zuletzt an den vielen Zusatzmaterialien liegen, die wir im Laufe des Spiels finden. Besonders hervorheben möchte ich die große Anzahl an Videoaufnahmen, die für das Spiel angefertigt wurden. Auch Bilder, E-Mail und Chatverläufe wirken authentisch.
Die Autor*innen haben also viel Liebe zum Detail in das Spiel gesteckt. Aus meiner Sicht haben sie sich dabei an manchen Stellen aber auch etwas verkünstelt. Nicht alle Plotstränge waren für uns so logisch, wie es nachher im Aufklärungsvideo erschien – und das, obwohl wir (fast) alles gefunden hatten. Und manches war doch sehr stereotyp. Bei den Telefonnummern und E-Mail-Adressen empfand ich es als unglücklich, dass manche dieser gar nicht in echt vergeben waren, obwohl sie echt wirkten. Ich halte es für geschickter, diese dann auch nicht in voller Länge anzugeben, sondern beispielsweise mit Sternchen abzukürzen. Das verringert den Tippaufwand bei den Ermittler*innen, aber auch, dass vielleicht doch mal jemand die Telefonnummer aus dem Spiel zugewiesen bekommt und dann nachts Telefonanrufe von Spieler*innen annehmen muss.
Das Auflösungsvideo, welches ich eben schon einmal erwähnt habe, war fast ein wenig zu lang. Klar, der Gedanke ist nett, aber ein Text hätte es nach dem Rätseln für mich auch getan. Zumal ich so nicht mal eben in der Lösung nach dem fehlenden Puzzleteil gucken kann. Meine Frau sieht das übrigens anders. Hinzu kommt, dass die Auflösungsvideos sehr viel hochwertiger produziert waren, als dies bei den Videos während des Spiels der Fall war. Besonders groß war die Kluft bei „WO IST DAVID M.?“, bei dem einer der Laienschauspieler stark abfiel in der schauspielerischen Leistung. Für uns wäre es stimmiger gewesen, mehr in das eigentliche Spiel zu investieren als in die Auflösung. Ansonsten fand ich den Plot bei diesem Titel aber insgesamt stärker.
In beiden Spielen gibt es zudem genau jeweils ein Element, was nicht wiederverwendbar ist. Das ist als Gimmick zwar nett (allerdings in beiden Fällen auch so gradlinig, dass sofort klar ist, was gemeint ist), aber verhindert auch, dass das Spiel als vollwertiges Erlebnis noch ein zweites Mal gespielt wird. Für einen etwaigen dritten Fall würde ich überlegen, ob das der beste Weg ist.
Transparenzhinweis
Für diese Rezension standen mir zwei kostenfreie Rezensionsexemplare zur Verfügung, welche mir ohne Auflagen vom Verlag übermittelt worden sind.