Home Rezensionen 50 Clues – 3×3 macht viele Coderätsel, aber auch Immersion

50 Clues – 3×3 macht viele Coderätsel, aber auch Immersion

von Johannes

Über das Spiel

Vorwort

Einen ungewöhnlichen Weg, oder zumindest eine ungewöhnliche Perspektive, beschreitet Jeppe Norsker mit seiner Escape-Spielereihe 50 Clues, von der jüngst die dritte Trilogie bei Pegasus erschienen ist (die ersten beiden Trilogien kamen noch bei Carletto heraus). Da mir alle drei Trilogien sehr gut gefallen hatten, widme ich dieser Reihe aus neun Spielen in ihrer Gesamtschau eine Rezension und beleuchte, für wen die Reihe etwas sein könnte und für wen eher nicht.

Rezension

Cover von 50 CluesAuch wenn es sich Pegasus nicht nehmen lassen konnte das Label „Familien“ auf die Packung des Spiels zu drucken, die Altersangabe 16+ sollte eigentlich ein eindeutiges Signal sein: bei 50 Clues ist der Inhalt nicht unbedingt für zartbesaitete Personen geeignet. Pegasus selbst spricht hier von einem „Rätsel-Thriller für hartgesottene Spürnasen“ und das trifft es wohl am ehesten. Denn bei der 50 Clues-Reihe geht es inhaltlich hoch her. Dabei sind die ersten beiden Trilogien, wir sprechen also von insgesamt neun Spielen, inhaltlich miteinander verwoben, während die dritte Trilogie eine neue Thematik beschreibt. Gleichzeitig ist die Thematik mit dem dritten, bei Pegasus erschienen Teil, auch etwas handzahmer geworden, was allerdings nicht unbedingt auch für die Entscheidungen gilt, die im Spiel getroffen werden.

Im ersten Teil, der sogenannten „Maria-Trilogie“ spielen die Spieler*innen einen Ermittler, der versucht, einen Mordanschlag auf eine Kollegin und ihren Sohn aufzuklären. Dabei trifft er auf die Hauptverdächtige Maria, deren Perspektive im zweiten Teil, der „Leopold-Trilogie“ eingenommen wird. Marias Persönlichkeit ist, ohne jetzt allzu viel spoilern zu wollen, problematisch und sie leidet an wahnhaftem Verhalten, welches die Spieler*innen auch spielerisch umsetzen müssen. Die Entscheidungen, die dabei gefällt werden müssen, bringen die Spieler*innen dabei schon einmal in moralische Zwickmühlen [Achtung: Spoiler], etwa dann, wenn es um das Abtrennen eines Fingers einer Person geht . Entsprechend gehen die Bewertungen hierzu auch bei BGG auseinander: „Sick. Passively watch a horror movie or read a book is one thing. Act like the psychopath in a game is another. This means crossing the line“ (Navarre79). Der Autor argumentiert hierzu auf seiner Website, dass es zur skandinavischen Krimi-Kultur gehört, sich mit „psychischen Krankheiten und dem unfassbar Schlimmen“ zu beschäftigen. Die Spiele machen die Spieler*innen dabei nicht zu Mittätern, aber erzählen ganz bewusst und schonungslos, ohne es den Spieler*innen zu gestatten, die Handlung selbst zu verändern. Wer das nicht möchte, der kann das Spiel eigentlich nur abbrechen. Das ist hart, aber erlaubt (siehe auch die Kolumne „Satire darf alles – aber gilt das auch für Brettspiele?“) und das Spiel, welches dieses Spiel hier mit meinen Gefühlen treibt, machte das Erlebnis dabei fast intensiver, als wenn ich die Handlung selbst beeinflusst hätte.

Dies geht auch in der neusten Trilogie so weiter: „Sigrids Suche“. In dieser schlüpfen die Spieler*innen in die Rolle von Sigrid, deren Schwester als Expertin für biologische Kampfstoffe für das Militär arbeitet und offensichtlich ihre Hilfe braucht. Dadurch, dass die dritte Trilogie inhaltlich abgekoppelt ist, lässt sie sich auch vor den ersten beiden Teilen spielen, was eventuell eine gute Idee ist, solltet ihr mit dem oben genannten Thema ein Problem haben.

Die „Web-App“ von 50 Clues

Die „Web-App“ von 50 Clues

Mechanisch baut 50 Clues auf einer vom Autor selbst programmierten Website auf und nutzt ein bei Escape-Spielen bewährtes System: ein vorsortiertes Kartendeck (mit 50 Hinweisen) gibt den Spieler*innen immer neue Rätsel auf, in dem es auf den Karten die Farbcodes weiß (Karte aufdecken), rot (mit einer anderen Karte kombinieren) und schwarz (benutzen oder Code eingeben) gibt. Werden die richtigen Zahlen auf der Website eingegeben, dann bekommt man dort die Anweisung, neue Karten aufzudecken, oder die Handlung auf andere Art und Weise voranzutreiben.

Die folgende Passage bezieht sich vor allem auf die dritte Trilogie, da hier meine Erinnerung am frischesten ist:

Dei den Rätseln stehen dabei Coderätsel klar im Vordergrund, sodass man sich insbesondere in der dritten Trilogie mehr oder weniger von einem Schloss zum nächsten Pinpad vorhangelt. Die Schwierigkeit ist dabei moderat und auch ohne große Hilfen durch das sehr gute Hilfesystem auf der Website machbar.

Manchmal durchbricht das Spiel aber auch diese Logik und dann werden nach feinster Point-and-Click-Manier Gegenstände miteinander kombiniert und so die Handlung vorangebracht. Vornehmlich in diesen Momenten spielt 50 Clues aus meiner Sicht sein ganzes Potential aus. Die ohnehin schon mitreißende Handlung wird noch immersiver und es macht große Freude weiter voranzuschreiten und zu erleben, denn an diesen Stellen wird 50 Clues in der Tat zum mitreißenden Thriller, der von Autor und Hersteller versprochen wird. Sollte es eine weitere Trilogie geben, so würde ich mich sehr freuen, wenn an dieser Stelle weiter ausgebaut werden würde, denn an wirklich guten Stories fehlt es auf dem hart umkämpften Escape-Sektor eindeutig.

Übrigens lässt sich jedes der neun Spiele bis 30-mal spielen, bevor die Seriencode-Beschränkung auf der Website greift. Zerstört wird in jedem Fall nichts. Warum es dennoch eine Limitierung gibt, darüber kann ich nur mutmaßen.

Abschließende Bewertung des Ministeriums

„Die 50-Clues-Reihe besticht vor allem durch ihren immersiven Handlungsstrang. Die vielen Coderätsel funktionieren aber auch gut und bringen die Story voran. Ich freue mich bereits auf die nächste Trilogie – dann auch gerne mit noch mehr unverschlossenen Point-and-Click-Rätseln und moralischen Zwiespälten.“
Johannes
Brettspielminister

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3 Kommentare

Dörk 6. April 2024 - 09:21

Bin über einen FB Link hier gelandet und hab jetzt echt Lust gehabt mir den Artikel über das Spiel durchzulesen. Beim ersten Gender*chen ist es mir sofort vergangen und das Lesezeichen zu dieser Seite hat sich quasi wie von selbst gelöscht. Hört mit diesem Schwachsinn auf. Bitte!

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Johannes 6. April 2024 - 11:43

Reaktanz ist natürlich ein riesiges, wenn nicht sogar das größte Problem an der Debatte. Ich gendere bewusst und absichtlich, weil ich (Sozialwissenschaftler, der u.A. im Bereich kognitive Psychologie in Bezug auf Stereotype forscht und dazu auch promoviert worden ist) davon überzeugt bin, dass die Verwendung des generischen Maskulins zu einer kognitiven Unterrepräsentanz von Personengruppen führt. Dieses hat weitreichende Folgen, bis hin zur Berufswahl von Kindern. Wenn ich von Expertenspielen schreibe, dann evoziert das in vielen Fälle nun einmal das Bild eines männlichen Experten. Die negativen Effekte sind hinreichend erforscht und belegt. Dass das Gendersternchen im Lesefluss stört, ist nur in der Eingewöhnungsphase so. Ja, auch ich musste mich erst daran gewöhnen. Für die gute Sache bin ich aber gerne bereit mich umzustellen. Gleiches gilt für den glottalen Verschlusslaut, der beim Sprechen auftritt. Erst fällt es auf, dann nicht mehr. Es gibt aus meiner Sicht kein einziges gutes Argument gegen das Gendern.

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Die besten Escapespiele – ein aktueller Überblick 13. April 2024 - 09:10

[…] vielen Coderätseln. Da ich hierfür eine ausführliche Rezension geschrieben habe, verlinke ich an dieser Stelle lediglich. Sprechen euch die Faktoren „Erwachsen“ und […]

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