Einleitung
Im Januar, kurz nach der SPIELWARENMESSE, schrieb ich, dass ich einen Trend für das Jahr 2025 erkannt hätte. Zwei-Personen-Spiele, so fiel mir auf, waren quasi an jedem Stand vertreten – oft sogar als Ableger bereits etablierter Mehrpersonenspiele. Als HARALD SCHRAPERS dieses Phänomen in seinem Podcast thematisierte, kam in der FUX & BÄR-WhatsApp-Gruppe eine Diskussion darüber auf, ob dieser Trend tatsächlich existiert. Eine Person behauptete nämlich, dass da nichts dran wäre. Auch andere Vermutungen halten sich hartnäckig in der Szene. Beispielsweise, dass Brettspiele immer teurer werden. Grund genug, die verfügbaren Daten einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Datengrundlage und Methodik
Für die folgenden Analysen nutzte ich Daten, die ich aus dem TableTopTogether (TTT)-Tool exportiert habe. TTT listet für die großen Brettspiel-Conventions – ähnlich wie die BGG-Preview-Liste oder neuerdings die App der SPIEL – Neuerscheinungen auf Basis der BGG-API. Für die SPIEL stehen seit 2017 jährlich entsprechende Datensätze bereit. Da TTT einen direkten Export anbietet, der zusätzliche Metainformationen zu den Spielen umfasst, habe ich ausschließlich diese Quelle genutzt.
Durch das Zusammenführen der Datensätze von 2017 bis 2025 (Stand: 1. Oktober 2025) entstand ein umfangreicher Pool, der neben den Spielenamen auch Angaben zu Autor*innen, Verlagen, Preisen, Altersfreigaben, Spielerzahlen, Spieldauer sowie dem Ausstellungsort umfasst. In den Datensätzen waren sowohl vollwertige Spiele als auch Erweiterungen enthalten. Mit Ausnahme der Analyse zum Anteil der Erweiterungen wurden diese (n=1.429) in den weiteren Auswertungen jedoch nicht berücksichtigt. Zum einen interessiert mich die Entwicklung der „Volltitel“, zum anderen erscheinen zu manchen Spielen direkt zum Release zahlreiche Erweiterungen – was die Aussagen über Gebühr verzerren würde.
Darüber hinaus waren einige Titel doppelt vorhanden, etwa weil sie zeitgleich bei mehreren Verlagen in unterschiedlichen Sprachversionen erschienen. Diese Duplikate wurden vor der Berechnung der einzelnen Kennzahlen und Grafiken entfernt, sofern der Titel gleich war (n=1.145). Ansonsten habe ich alle Fälle im Datensatz belassen. Auch Spiele, die nur als Demospiel oder in mir fremden Sprachen erschienen. Ich gehe aber davon aus, dass diese über die Jahre keine systematische Verzerrung verursachen. Tabelle 1 gibt Auskunft über die Anzahl an Titeln und Erweiterungen in den einzelnen Jahren.
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 | 2025 | |
Anzahl Titel | 1017 | 1096 | 1087 | 457 | 454 | 1046 | 1031 | 1016 | 1000 |
Davon Erweiterungen | 171 | 187 | 194 | 85 | 74 | 152 | 197 | 134 | 151 |
Anteil Erweiterungen | 17% | 17% | 18% | 19% | 16% | 15% | 19% | 13% | 15% |
Da für die Spieleautor*innen nur die Namen in einer Spalte aufgeführt und sonst keine Informationen bereitgestellt wurden, floss in die Aufbereitung der Autor*innendatenpunkte die meiste Arbeit. Ich habe zunächst die Namen um Verlags- und Fantasienamen bereinigt und dann die Anzahl an Personen extrahiert. Um das Geschlechterverhältnis unter den Autorinnen zu analysieren, ergänzte ich den Datensatz um eine Namens- und Geschlechterdatenbank mit rund 500.000 Einträgen und die jeweils wahrscheinlichste biologische Geschlechtszuordnung. Diese Methode ist weit entfernt davon, perfekt zu sein, und ist speziell bei italienischen Namen teils unzureichend, erlaubte mir aber eine kostenfreie und effiziente Zuweisung. Wo es mir auffiel, habe ich die Daten manuell korrigiert (z. B. wurden sowohl Simone Luciani als auch Dani Garcia fälschlich als weiblich codiert). Die Methode kann weder nicht-binäre noch trans Personen adäquat abbilden. Diese Einschränkung bitte ich zu entschuldigen.
Lesehinweise für die Grafiken
Auf der X-Achse der Grafiken sind jeweils die Jahre abgebildet, auf der Y-Achse die in der Überschrift genannte Kennzahl. Die orangene Linie zeigt die Entwicklung der gemessenen Werte (meist einmal das arithmetische Mittel, in manchen Fällen auch Prozentwerte oder den Median). Die blaue Linie stellt eine sogenannte LOWESS-Kurve dar, also eine geglättete Trendlinie, die intuitiver als eine einfache Steigungsgerade zu interpretieren ist.
Zwei-Personen-Spiele: Der neue Trend?
Nun zu meiner Ausgangshypothese, die sich aus Beobachtungen auf der SPIELWARENMESSE speiste. Während der Anteil zwischen 2017 und 2024 durchschnittlich bei etwa 7,6 % lag, erreichte er 2025 10,2 %. Den Anstieg um rund drei Prozentpunkte empfinde ich als einen klaren Trend – auch wenn mir persönlich der Zuwachs größer vorkam, als er sich in den Daten darstellt.
Mehr Vielfalt unter den Brettspielautor*innen
Zu den Brettspielautor*innen habe ich zwei zentrale Grafiken extrahiert: Zum einen zeigt sich, dass ausgerechnet in den Coronajahren die durchschnittliche Anzahl an Autor*innen je Spiel etwas anstieg, wenngleich sich dieser Wert im Bereich zwischen 1,33 und 1,51 Autor*innen pro Titel bewegt und damit keine großen Unterschiede aufweist.
Dies wird konsequenterweise auch im Anteil der Spiele reflektiert, die eine*n Einzelautor*in haben, wie die folgende Grafik zeigt. Dieser nahm von 2017 bis 2022 ab und steigt seitdem wieder an, ohne bislang jedoch das Niveau von 2017 erneut erreicht zu haben.
Erfreulich ist der klare Aufwärtstrend beim Anteil weiblicher Autorinnen: von etwas über 7 % in 2017 auf nahezu 11 % im Jahr 2025. Dabei handelt es sich nicht um den Anteil der Spiele, an denen mindestens eine weiblich gelesene Person beteiligt war, sondern um den tatsächlichen Anteil innerhalb der Autor*innenschaft eines Titels (also: Bei einem Titel mit einer Autorin = 100 %, bei einem Titel mit einem weiblichen und einem männlichen Autor = 50 %, etc.). Die Jahreswerte bilden das arithmetische Mittel ab.
Altersempfehlung und Spielzeit
In Bezug auf die Altersangabe und die Spielzeit hatte ich zunächst vermutet, dass diese beiden Faktoren eng miteinander zusammenhängen könnten – doch ein Blick auf die Graphen zeigt: Der Zusammenhang ist geringer als gedacht, obwohl es eine geringe, statistisch signifikante Korrelation gibt. Nach Corona stieg die Altersempfehlung leicht an.
Bei der Entwicklung der angegebenen Spielzeit ist seit 2024 ein klarer Rückgang zu beobachten. Für Spiele mit einer Spielzeitangabe „von … bis … Minuten“ wurde stets das arithmetische Mittel verwendet.
Vermutlich hängt dieser Rückgang mit der geringeren Anzahl von langandauernden Titeln (potenzielle Expert*innenspiele) zusammen und ist kein genereller Trend zu kürzeren Spielzeiten. Zur weiteren Analyse habe ich den Anteil der Spiele mit mehr als 45 Minuten Spielzeit berechnet: Auch hier zeigt sich nach einem Peak in 2021 und 2022 eine rückläufige Tendenz.
Preisentwicklung
Die Auffassung, dass Brettspiele immer teurer werden, ist weit verbreitet. Zumindest für das Jahr des Ukraine-Konflikts spiegelt sich dies auch in den Daten wider. Seit 2024 lässt sich bei den auf TTT gelisteten Neuheiten jedoch ein Abwärtstrend bei den Preisen erkennen – dieser setzt sich auch im Jahr 2025 fort. Um den Zusammenhang mit der Spieldauer näher zu beleuchten, habe ich sowohl die allgemeine Preisentwicklung als auch die Entwicklung bei kürzeren und längeren Spielen betrachtet.
Fazit
Vieles ist offenbar weniger drastisch, als häufig angenommen wird. Es gibt durchaus einige erfreuliche Entwicklungen, wie zum Beispiel den Anstieg des Anteils weiblicher Autor*innen. Mit knapp 11 % ist die Branche von einer gleichmäßigen Geschlechterverteilung aber noch weit entfernt.
2022 scheint ein Jahr der Superlative gewesen zu sein: Spieldauer, Preise und Altersempfehlungen lagen höher als sonst. Für den aktuellen Jahrgang relativiert sich dieser Trend jedoch. Besonders deutlich zeigt sich der Trend zu Zwei-Personen-Spielen: Ihr Anteil stieg um 3 Prozentpunkte. Ob das wirklich „viel“ ist, bleibt Ansichtssache – bemerkenswert ist die Entwicklung dennoch. In diesem Sinne: Beste Grüße an Christian H.
8 Kommentare
Sollte die Preisentwicklung nicht um die Inflation bereinigt werden?
Kommt darauf an, was ich darstellen möchte. Hier geht es ja um die Realpreise der Spiele, weil diese bei TTT so angegeben werden. Möchte ich eher in die Richtung gehen, wie viel Spiel ich für mein Geld bekomme, dann müsste ich die Inflation (aber auch die Kaufkraft) noch mit reinrechnen.
Vielen Dank! Interessant, dass du einen steigenden Frauenanteil feststellst. Ich habe zuletzt einen Rückgang der Autorinnenspiele auf zwei Prozent gemessen (95 Prozent Autorenspiele). Allerdings auf der Basis von 385 Neuerscheinungen, die im Zeitraum vom 4/24 bis zum 3/25 herauskamen und im deutschsprachigen Einzelhandel erhältlich sind (ohne Kinderspiele, Neuauflagen und Varianten bereits bekannter Titel).
Das finde ich auch spannend. Bei mir sind ja alle Spiele drin, also auch Kinderspiele, Neuauflagen, Varianten und natürlich der internationale Markt. Einen Unterschied könnte ich mir noch bei der Messung vorstellen: Ich habe ja für alle Spiele den Anteil an Autor*innen berechnet. Zudem gibt es durch die automatische Vercodung eine gewisse Unschärfe. Ich kann nur nicht sagen, ob diese in Bezug auf die Veränderungen im Jahresverlauf verzerrend wirkt.
Danke erst einmal für die Statistiken!
Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, die Durchscinttliche Anzahl der Autor:innen zu erfassen: Da es ja nicht weniger als eine Person auf der Schachtel stehen kann, ziehen Spiele mit vielen Spieleschaffenden den Schnitt übernatürlich stark nach oben (T-Quadrat-Verteilung, analog Durchschnittsgewichte oder Einkommen). Sinnvoller wäre da mMn eine prozentuale Erfassung von Spielen mit mehr als einer Person auf der Schachtel.
Ähnliches würde ich für die Altersempfehlung vermuten, obwohl da das Verhältnis von Kinderspielen uu „Erwachsneenspielen“ sicherlich eine größere Rolle spielt.
Aber wie gesagt, sehr interessant – Danke dafür!
Ich denke, dass eventuell der Anteil der Kinderspiele gestiegen ist, wo der Frauenanteil m.W. etwas höher liegt.
Aber auch im Asiatischen Sprachraum gibt es einige Verlage mit hohem Frauenanteil (z.B. hatte der Malayische Verlag letztes Jahr, wenn ich nicht irre, nur Autorinnen)
Absolut, allerdings ist die Hebelwirkung der Spiele mit vielen Autor*innen bei hinreichend vielen Spielen (und wir haben hier ja Fallzahlen von rund 1.000 Spielen pro Jahr) auf das arithmetische Mittel relativ gering. Ich kann aber gerne noch eine Grafik zu den Anteilen der Mehrautor*innenspielen nachliefern.
Ich habe noch eine Grafik zu Einzelautor*innen mit aufgenommen.