Vorwort
Als ich anfing, über Brettspiele zu schreiben, hatte ich zunächst nur vor einen kleinen Instagram-Blog aufzusetzen, auf dem ich meine Spieleerlebnisse verarbeiten konnte. Sehr schnell kam ich aber an dem Punkt an, an dem mir dieses nicht mehr reichte. Ich wollte Kritiken veröffentlichen und so sprengte ich nicht nur die zeichentechnischen Ketten der Plattform Instagram, sondern begann auch, mich stärker mit meinen Texten auseinanderzusetzen. Heute begreife ich mich selbst als Kritiker. Meine Arbeitsweise ist durch Methodik geprägt. Für meine Rezensionen recherchiere ich intensiv – nicht nur, indem ich die Spiele mehrfach spiele, sondern indem ich auch Hintergrundinformationen und Berichte von anderen Personen lese. Trotzdem scheint es mir eine Differenz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung zu geben, die nicht nur mich, sondern eigentlich die gesamte Szene der (und jetzt beginnt das Dilemma schon) „Medienschaffenden?“ „Content Creatoren?“ über das Thema Brettspiele in Deutschland betrifft. Was mache ich hier eigentlich und was machen andere? Bin ich Kritiker oder doch Influencer und was grenzt eigentlich das eine vom anderen ab?
Bei meiner Recherche war ich dabei zunächst zugegebenermaßen etwas blauäugig. Für meine wissenschaftliche Betätigung bin ich es gewohnt, dass ich mit den richtigen Stichworten eine Vielzahl von methodisch sauberen Artikeln finde, auf die ich meine Texte stützen kann. Ich ging davon aus, dass mir die Medienwissenschaft hier ähnlich gut zur Seite stehen würde und ich die passendsten Kategorien bald an der Hand hätte. Google Scholar und auch die einschlägigen anderen Recherche-Plattformen boten aber nur wenig Ansatzpunkte. Die Hauptbeschäftigung mit Blogs und Youtube findet auf wissenschaftlicher Ebene offensichtlich meist in speziellen Feldern statt, ist aber selten so allgemein, dass ich sie hätte verwenden können. Aus diesem Grund ist die Quellenlage für diesen Artikel wackeliger als zunächst geplant. Ich hoffe, dass ihr dennoch meinen Argumentationen folgen könnt. Dort, wo ihr weitere Einsichten für mich habt, bin ich über Quellen dankbar.
Warum Differenzierung wichtig ist
In den bundesdeutschen Foren und auf den Social Media-Plattformen ist insbesondere bei älteren Nutzer*innen die Gleichsetzung der Begriffe „Influencer“ und „Influenza“ ein beliebtes Wortspiel, welches gelegentlich auch von den klassischen Medien aufgegriffen wird (Süddeutsche.de 2019; Badische-Zeitung.de 2024).
Dies kommt nicht von ungefähr: Die deutsche Übersetzung von „to influence“ verliert im Deutschen mit „beeinflussen“ viel von ihrer ursprünglichen Bedeutung, denn Beeinflussung ist im deutschen stark negativ konnotiert. So steht der Beruf des*der Influencers*Influencer*in generell in einem schlechten Licht (Fünfstück 2023). Dass Influencer-Marketing – und das ist der eigentliche Streitpunkt an der Sache, denn um nichts anderes als den Verkauf durch beschönigende Postings geht es doch – funktioniert, ist dabei hinlänglich bekannt (Fraunhofer ISI 2024). Doch ist jetzt jede Person, die eine andere Person in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst, auch gleich ein*e Influencer*in, wie es viele Personen aus der Brettspielszene vermuten?
„Für mich gibt’s da keinen Unterschied, da das nix ist, was man sich aussucht. Man macht Videos/Streamer im Internet und Leute schauen das. Unabhängig vom wirklich produzierten Inhalt hat man dadurch Einfluss auf die Meinung der Leute, die einen schauen. Somit ist jeder Content Creator zeitgleich automatisch Influencer. Das kann man nicht trennen“ (User HotSauce bei Unknowns.de)
Um diese Frage klären zu können, benötigen wir ein klares Verständnis davon, was das eine und was das andere ist. Meine Bemühungen werden aber auch von einem anderen Gedanken getragen: Ich möchte weder Influencer noch andere Tätigkeiten bewerten. Es ist aber wichtig für den*die Konsument*in zu wissen, auf welcher Grundlage einzelne Informationen über Brettspiele entstehen und welche Intention einzelne Medien haben. Dient die gelieferte Information primär der Unterhaltung? Soll informiert werden, oder dient sie vielleicht sogar einem höheren Zweck, wie der Förderung des Brettspiels als Kulturgut, und versteht sich gar nicht als Einkaufsführer in einem Jahrgang mit über 1.000 Neuheiten?
Definiere: Blogger, Journalist*innen, Medienschaffende, Content Creator*innen, Influencer*innen
Für den Begriff Medienschaffende, der ja eine direkte Übersetzung von Content Creator aus dem Englischen wäre, bietet mir der deutsche Duden an, ihn synonym zum Begriff „Journalist“ zu verwenden. Auch die weitere Recherche bei Google Scholar und auf anderen Plattformen unterstützt diese These (zum Beispiel Szyszka & Pleil 2023), so dass ich diese Setzung erst einmal annehme. Medienschaffende sind also Journalisten, die später ebenfalls noch zu definieren sind.
Für den englischen Begriff Content Creator funktioniert die Gleichsetzung aber schon nicht mehr. Subsumiere ich alle von mir gefundenen Definitionen, dann sind Content Creatoren Personen, die digitale Inhalte erstellen und zumeist eine bestimmte Zielgruppe haben. Form (Texte, Videos, Audio), Inhalte und Motivation sind dabei zunächst nicht definiert. Wenn monetäre Aspekte jedoch ein Grund für die Betätigung sind, dann kann es dazu kommen, dass dies Auswirkungen auf die Inhalte hat (Hua et al. 2022).
An dieser Stelle fühle ich mich noch dazu verpflichtet darauf hinzuweisen, dass es in der Literaturlage zu Content Creation viele Hinweise darauf gibt, dass es massive Partizipationsdifferenzen gibt. So sind Content Creatoren in der überwiegenden Anzahl der Fälle weiße Männer mittleren Alters mit überproportional hohen finanziellen Ressourcen (zum Beispiel Jenkins 2006; Blank 2013; Brake 2014). Durch die Bereitstellung kostenfreier und partiell partizipativer Inhalte hat Content Creation zudem ein Ausbeutungsproblem (Fuchs 2010). Beide Aspekte beobachte ich auch in der deutschen Brettspielszene. Insbesondere die Meinungsdominanz einer bestimmten Gruppe ist dabei für die Szene für mich problematisch, auch wenn ich mich selbst zu dieser Gruppe zählen muss.
Innerhalb dieser Content-Blase gibt es nun weitere Formen der Inhalte. Der (We)blog, so wie dieser hier, ist eine davon. Blogs sind Websites, die Beiträge chronologisch darstellen und von einer oder wenigen Personen betrieben werden. Diese Personen werden dann als Blogger bezeichnet (Schenk et al. 2014). Beck (2008) unterscheidet nach Schenk et al. (2014: 5) zwischen
- „Persönliche Online-Journale oder Online-Tagebücher, die sich meist an einen persönlich bekannten Kreis wenden.
- Laien-/journalistische Blogs – hier bloggen Individuen als Kommunikatoren, die manchmal auch professionelle freie Journalisten oder Redakteure sind.
- Corporate Blogs; dahinter stehen institutionelle oder kollektive Kommunikatoren aus Unternehmen, Parteien, Verbänden oder NGOs, die Blogs als Instrumente der strategischen Kommunikation betreiben.“
Die Mehrzahl der Blogs im Brettspielbereich dürfte als Themenblogs unter Punkt 2 fallen. Persönliche Journale mit Spielberichten werden zwar auch gepflegt, finden sich aber eher in den sozialen Medien, denn in Blogform wieder oder laufen nur nebenbei in Form von beispielsweise Messeberichten zwischen den anderen Inhalten mit. Corporate Blogs gibt es gelegentlich bei Brettspielverlagen, von denen einige ihre Kommunikationsstrategien zielgruppengerecht stark diversifiziert haben. Hier sind als Beispiele Stonemaier Games oder Frosted Games zu nennen. Letztere bieten mit ihrem Schreibtischblick sogar einen Podcast an. Schreibe ich im weiteren Verlauf über Blogs, dann klammere ich Verlagsblogs explizit aus, da diese wohl kaum von den Rezipienten als unabhängige Formate oder Opinion Leaders wahrgenommen werden.
Letzteres ist jedoch wichtig für das Selbstverständnis vieler Blogger. „In ihrer Eigenwahrnehmung übernehmen sie häufig Verantwortung und Führung und erteilen anderen gerne Ratschläge und Empfehlungen“ (Schenk et al. 2014: 37). Gleichzeitig ist das Selbstverständnis ein wichtiger Anknüpfungspunkt für die Beschreibung von Blogging als Form des Journalismus.
Auch für den Journalismus gibt es keine eindeutige Definition, zumal der Begriff Journalist nicht geschützt ist und durch die stärkere Ausdifferenzierung der Plattformen und Publikationsmöglichkeiten die Lage noch unübersichtlich geworden ist. Jede*r kann sich demnach als Journalist*in bezeichnen. Scholl (1997) beschreibt jedoch drei primäre Abgrenzungslinien: Journalismus als Funktionssystem, Journalismus als organisierte Produktion öffentlicher Aussagen und Journalismus als Profession. Innerhalb der Funktionssystemslogik wird ausgeführt, was Journalismus eben nicht sein kann: Erfüllungsgehilfe von Organisationen, Institutionen oder Unternehmen, also PR-Maßnahmen. Journalismus kann auch nicht Kunst oder fiktional sein. Er bezieht sich auf aktuelle reale Themen, über die er als professioneller Beobachter informieren will und das geschieht innerhalb eines bestimmten Rahmens. Der Pressekodex, dem sich Berufsjournalist*innen verpflichten, gibt Handlungs- und Sorgfaltsrichtlinien vor. Der Journalismus übernimmt innerhalb der Gesellschaft eine wichtige Funktion, in dem er über politische, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Themen informiert, zur Meinungsbildung beiträgt, kritisiert und kontrolliert.
Die dritte Ebene (Profession) als Unterscheidungsmerkmal zwischen Laienjournalismus auf der einen Seite und „richtigem“ Journalismus wird insbesondere von den Berufsverbänden weiterhin betont. Demnach wird Journalismus dort betrieben, wo die Tätigkeit in der überwiegenden Arbeitszeit von ausgebildeten Journalisten vollführt wurde (Deutscher Journalistenverband 2015).
Andererseits wird Blogging auch als Teildisziplin journalistischer Tätigkeit, oder zumindest als sehr ähnlich angesehen (Hoffjann, Haidukiezicz 2018: 16). Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich Blogger*innen und Journalist*innen in ihren gewählten Methoden und „in wichtigen Fragen ähnlicher sind als vermutet – und als es manchen Journalisten lieb sein dürfte. Es gibt ein überraschend hohes Maß an Ähnlichkeiten in Bezug auf das Rollenselbstverständnis, das Qualitätsverständnis, die Kennzeichnung bezahlter Inhalte und die Bewertung von PR. Diese Ähnlichkeiten haben sich in der ergänzenden Nutzerbefragung im Wesentlichen bestätigt.“ (Hoffjann, Haidukiezicz 2018: 81). Hoffjann und Haidukiezicz (2018; 2018b) replizieren an dieser Stelle im Wesentlichen die Ergebnisse, zu denen auch schon Schenk et al. (2014) gekommen waren: „Die Umfrageergebnisse zeigen zudem, dass Blogger hohe journalistische Qualitätsanforderungen an sich selbst stellen. Kriterien wie Objektivität, Relevanz, Richtigkeit, Aktualität usw. haben eine hohe Relevanz – was auch unter ethischen Gesichtspunkten positiv zu bewerten ist“ (Schenk 2014: 37). Aus eigener Erfahrung kann ich zudem sagen, dass meine Arbeit sich in vielen Punkten außer im zeitlichen Umfang nicht von der ausgebildeter Journalisten unterscheidet: Ich recherchiere, verfasse und redigiere eigene Texte, redigiere im Beeple-Netzwerk Texte von anderen Personen, organisiere meine Tätigkeit und bereite sie technisch auf.
Dennoch setzen sowohl Hoffjann und Haidukiezicz (2018), als auch andere Autor*innen wie Schach (2018), Influencer und Blogger gleich. Dies hängt maßgeblich mit deren sehr breiten Definition zusammen, nach der Influencer Personen sind, „die aufgrund ihres digitalen Netzwerks, ihrer Persönlichkeitsstärke, einer bestimmten Themenkompetenz und kommunikativen Aktivität eine zugesprochene Glaubwürdigkeit für bestimmte Themen besitzen und diese einer breiten Personengruppe über digitale Kanäle zugänglich machen können“ (Schach 2018: 31). Die Bloggerin Rita Angelone hingegeben berät in ihrem Buch (Angelone 2023) bezüglich der Unterschiede zwischen Blogger*innen und Influencer*innen. Dabei betont sie, dass Blogger*innen in Bezug auf PR-Fragen andere Ziele bedienen als Influencer, welche sich insbesondere für schnellen und reichweitenstarken Content eignen, aber bei langfristigen Zielen gegen die Blogger*innen hinten anstehen.
Für den Teilbereich der Brettspielszene möchte ich darüber hinaus beitragen, dass viele der Autor*innen in den journalistischen Leitmedien der Brettspielszene wie der Spielbox ihre Karriere als Blogger*in entweder begonnen haben und/oder neben der Arbeit als Journalist*in weiter betreiben. Gleiches gilt für die Kritiker*innen der Spiel des Jahres-Jury, die ebenfalls überwiegend neben ihrer Jury-Tätigkeiten weitere Medienangebote von Blogs über Podcasts bis hin zu Youtube-Kanälen bespielen. Auch wenn diese mit ihren Angeboten Menschen in ihren Kaufentscheidungen beeinflussen (das Spiel des Jahres-Siegel sorgt in der Regel für vervielfachte Umsätze), käme wohl niemand wirklich auf die Idee, diese Personen als Influencer zu bezeichnen. Vielmehr scheint es mir so zu sein, dass Blogger*innen in der Brettspielszene am ehesten die Funktion von Journalist*innen übernehmen.
Wenn es um kurzfristigen informativen Content geht, dann sind eher Influencer in den sozialen Medien gefragt. Beide Arten von Content sind wichtig, verlangen aber durch die Verlage durchaus unterschiedlich angesprochen zu werden. Aus der Praxis ist erkennbar, dass viele Verlage dazu tendieren, die eine oder die andere Seite nicht in ihrer Pressearbeit zu berücksichtigen, diese bestenfalls getrennt voneinander zu bespielen, oder – schlimmstenfalls – nicht zu differenzieren. Selbst wenn wir jetzt aber über zwei der Sphären Klarheit haben, so gelingt es auf Basis dieser Begriffsdefinition aber noch lange nicht, auch die vielfältigen anderen Kanäle wie Podcasts einzuordnen.
Für die Nutzenden ist dies ebenfalls ein Dilemma, denn oft ist von außen nicht gut zu erkennen, wie der jeweilige Inhalt zu bewerten ist. Dies gilt umso mehr, als dass Werbekennzeichnungen weder einheitlich noch korrekt verwendet werden. Insbesondere in den sozialen Medien tendieren einige Content Creatoren dazu, pauschal alle Beiträge als Werbung zu kennzeichnen. Der Erhalt von Rezensionsexemplaren wird oftmals hingegen nicht deklariert.
Es wundert mich, ehrlich gesagt, nicht, dass dem so ist, denn es herrscht in der Content Creator Community große Uneinigkeit über die Interpretation der geltenden Regelungen, die wiederum auch mit den oben bereits genannten Abgrenzungsproblemen zwischen den Begriffen zusammenhängt. So sind im Internet einige Regelungen für Influencer zu finden (beispielsweise Ministerium für Finanzen BaWü 2022). Ob diese aber auch für journalistische Betätigungen gelten, ist vielen nicht ganz klar. Und natürlich sind auch die ethischen Vorstellungen zwischen den Personen sehr unterschiedlich.
Vom Begriffswirrwarr zur inhaltlichen Typologie
Die reine Abgrenzung der Begriffe ist also nicht zielführend, zumal diese nicht auf einer inhaltlichen Ebene stattfinden. Aus diesem Grund möchte ich in meiner Beschreibung noch einen Schritt weiter gehen und den vielfältigen Content in der Brettspielszene nicht nach Begrifflichkeiten, sondern nach Inhalten kategorisieren. Hierzu habe ich für verschiedene Medien von Zeitungen über TV bis hin zu Social Media nach Klassifizierungsschemata gesucht. Mit einer grundsätzlichen Idee über Kategorien im Kopf, habe ich dann deduktiv aus meinen Kenntnissen verschiedener Content Creator ein Kategorienschema entwickelt und die Passgenauigkeit anschließend mittels Prüfung der Zuordnenbarkeit der Blogs, Podcasts und Youtube-Kanäle der Kanalübersicht von Zuspieler.de überprüft.
Folgende Kategorien konnte ich extrahieren:
- Educational Content
- Nachrichtenberichterstattung
- Unterhaltungsformate
- Persönlicher Content
- Brettspielkritik
Educational Content beschreibt Inhalte, bei denen das Lernen über Brettspielthemen im Vordergrund steht. Das wohl prägnanteste Beispiel hierfür sind Regelerklärungen, die über die vom Spiel mitgelieferte Erklärung hinausgehen, oder diese anders aufbereiten, zum Beispiel in Form von Erklärvideos. Aber auch Strategieguides, bereitgestellte Spieler*innenhilfen oder Erklärungen zu szenetypischen Begriffen fallen in diese Kategorie. Die Inhalte sind oft sehr ausführlich und auf dauerhafte Verfügbarkeit ausgerichtet und finden sich primär bei Youtube und auf Blogs.
Anders sieht es bei der Nachrichtenberichterstattung aus. Nichts ist bekanntlich älter als die Zeitung von gestern, und so geht es hier um die neusten Neuigkeiten aus der Brettspielszene. Seien es Skandale, Neuankündigungen für Spiele, Angebote, Veranstaltungsberichte oder ähnliches. Die Beiträge sind vorrangig kurz und informativ und verzichten weitgehend auf persönliche Wertungen. Nachrichtenberichterstattung lässt sich eigentlich in allen Formaten wiederfinden.
Der Mehrwert von Unterhaltungsformaten dient nicht der faktenbasierten Informationsverbreitung, sondern der – wie der Name schon sagt – Unterhaltung des Zielpublikums. Die Formate können sowohl kurzfristig, mit aktuellem Bezug oder langfristig gestaltet sein. Der Informationsgrad, der über die pure Unterhaltung hinausgeht, ist typischerweise gering, reicht aber, um kurzfristige Aufmerksamkeit zu erzeugen. Hierzu zählen Comedy-Beiträge, Live-Plays, gepostete Memes, Glossen, aber auch Top-Listen fallen aus meiner Sicht in diesen Bereich. Unterhaltungsformate sind typischerweise in den Unterhaltungsmedien zu finden, also bei Instagram, Tiktok, Twitch, Youtube und nur partiell in Blogs und Zeitschriften.
Groß, vor allem in den sozialen Medien, ist auch persönlicher Content. In Vlogs, Unboxings, Spielberichten, Hauls (im Brettspielbereich oft „loot“) und Behind the Scenes wird Einblick in das Leben der jeweiligen Ersteller*innen und deren Beschäftigung mit dem Bretttspielhobby gegeben. Auch hier sind Dauerhaftigkeit und inhaltliche Differenzierung der Inhalte eher gering. Lediglich Spielberichte, die mit einer kurzen Meinung und einigen Hintergrundinformationen ausgestattet gepostet werden, geben etwas mehr Kontext. Persönlicher Content findet sich primär in den sozialen Medien, bei Youtube, oder als Podcast wieder.
Meine letzte Kategorie ist die der Brettspielkritik. Wie andere Kritiken (zum Beispiel Literaturkritik oder Theaterkritik) beurteilt und bewertet die Brettspielkritik, indem Brettspiele beschrieben und ihre Stärken und Schwächen aufgezeigt werden. Auch sollte eine Einordnung der Bedeutung und Relevanzerfolgen. Die Kritik hat den Zweck, zu unterhalten und zu informieren, aber auch, die Qualität der Spiele langfristig zu fördern und den Wert des Brettspiels als Kulturgut herauszustellen. Da für eine Kritik umfangreiches Fachwissen und Recherche notwendig sind, um sie vom persönlichen Content abzugrenzen, ist das Anfertigen von Kritiken umfangreich und voraussetzungsvoll. Sie sind auf Dauer angelegt (Websites wie Luding helfen bei der Recherche nach Kritiken) und inhaltlich stark differenziert. Aufgrund ihrer Zeichen- und Längenbeschränkungen eignen sich soziale Medien nicht für Brettspielkritik. Primär können Kritiken deshalb in Zeitschriften, Blogs sowie in ausgewählten Youtube und Podcast-Formaten gefunden werden. Ausgewählt deshalb, weil die Empirie gezeigt hat, dass Kritik in dieser Form von den Nutzenden weit weniger nachgefragt wird, als es bei persönlichem Content oder Unterhaltungsformaten der Fall ist. Es „lohnt“ sich nicht so sehr in Form von Follower*innen, diesen Content zu produzieren.
„Was soll der Unsinn?“ (Theodor Fontane)
Was mache ich jetzt mit dem Wissen um die inhaltlichen Typologien? Wichtig ist zunächst festzuhalten, dass die meisten Brettspielmedien Mischformen sind. Auf meinem Blog finden die Rezipienten zum Beispiel sowohl Kritiken als auch persönlichen Content und bei Instagram sogar gelegentlich Unterhaltungsformate. Es gibt aber einen klaren Fokus, und der ist bei mir die Kritik. Ich glaube, dass sich eigentlich alle Content Creatoren/Brettspielmedien auf diese Weise einordnen lassen.
Die Nutzer*innen möchte ich dazu einladen, sich bewusst zu machen, welche Art von Inhalt sie gerade konsumieren. Bin ich in den sozialen Medien unterwegs, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass ich eine Kritik zu lesen bekomme. Dafür gibt es mehr Unterhaltungsinhalte. Jede Seite, jeder Content Creator verfolgt einem eigenen Zweck. Die Beweggründe für die Erstellung sind vielfältig (siehe auch Schenk et al. 2014: 28). Genauso wie die Bedürfnisse bei den Nutzer*innen vielfältig sind. Das Einzige, was uns alle vereint, ist wohl das Interesse am Brettspiel.
3 Kommentare
Danke für den Text.
Nehme ich „influencen“ als eine Art Meinungssteuerung wahr, dann würden (für mich) ebenfalls noch Plattformen wie bspw. Unknowns und BGG als Meinungsbildend – oder eben anglisiert „hype“ erzeugend gelten.
Was mir bei Contentcreator(en) oft fehlt, ist die von dir stets getätigte Aufklärung, wie du an ein Rezensionsexemplar gekommen bist. Also ob es dir kostenlos – mit oder ohne Anforderung bereitgestellt wurde…
Hier würde ich mir sehr wünschen, dass diese Transparenz von allen gleichermaßen gelebt wird.
Mach weiter so. Meine Stimme bei den nächsten Wahlen ist dir sicher.
“Auch wenn diese (SDJ-Jury) mit ihren Angeboten Menschen in ihren Kaufentscheidungen beeinflussen (…) käme wohl niemand wirklich auf die Idee, diese Personen als Influencer zu bezeichnen.”
Doch. Ich. Man muss es ja nur umkehren. Demnach wären sie allesamt Kritiker oder Journalisten – und das erklärt die meisten ihrer Formate, die sie abseits der Jury-Tätigkeit machen, inhaltlich halt nicht.
Extrem einflussreich ist auch die Produktrezension aka Kritik bei Amazon und Co. Das ist einn wenig beachteter Aspekt von Brettspielkritik.
Wir sind damals kurz drauf eingegangen:
https://www.spielbar.com/wordpress/2020/12/20/21185/
Das war eine Podcast Reihe (3 Teile) zum Thema Brettspielkritik.
Ebenfalls gibt es noch den Aspekt der Performance, bei let’s plays oder auch durch Promoter. Auch das wird wenig beleuchtet.
Aber schon ein guter Ansatz mal Sachen zu systematisieren. Chapeau!