Home Rezensionen Ihr seid die Jury: Zwei Gesichter – ein Schuss – True-Crime-Podcast zum Miträtseln?

Ihr seid die Jury: Zwei Gesichter – ein Schuss – True-Crime-Podcast zum Miträtseln?

von Johannes

Über das Spiel

  • Erschienen bei KOSMOS
  • Autor: Jacob Berg
  • BGG-Wertung: – | Weight: – | Spieler*innenanzahl: 2-5

Anklage

Bereits im letzten Jahr ist der KOSMOS-Verlag im Bereich Kriminal- und Rätselspiele neue Wege gegangen. MEDICAL MYSTERIES (meine Rezension) konnte dabei auf ganzer Linie überzeugen. Entsprechend groß war meine Vorfreude, als KOSMOS auf der diesjährigen Spielwarenmesse IHR SEID DIE JURY: ZWEI GESICHTER – EIN SCHUSS ankündigte. Ob das neue Konzept ebenfalls frischen Wind in die Spielelandschaft bringt?

Verhandlung

Hinter dem sperrigen Titel verbirgt sich ein Audiospiel, bei dem die Mitspieler*innen die Rolle von Geschworenen bei einem Gerichtsprozess übernehmen. Wie bei der „Audio-Mystery“-Reihe ECHOES enthält auch dieses Spiel Karten, die nacheinander abgehandelt werden müssen. Anders als bei ECHOES werden die Karten aber nicht abgescannt, sondern enthalten lediglich Anweisungen. Meist wird dann in der zugehörigen App das nächste Audiofile angesteuert, wodurch ich neue Informationen zum Fall erhalte.

ZWEI GESICHTER – EIN SCHUSS, vermutlich der Start einer neuen Reihe (Wortspiel beabsichtigt), handelt von einem Vorfall vor einem Tanzclub, bei dem ein junger Mann von einem anderen jungen Mann erschossen wurde. Als Jury müssen wir entscheiden, ob die Beweislast am Ende ausreicht, um den Tatverdächtigen zu verurteilen.

Hierzu sehen wir uns mit unterschiedlichen Fakten konfrontiert. Insbesondere die Verhöre der Staatsanwältin und des Strafverteidigers mit verschiedenen Zeugen sorgen dafür, dass immer neue Aspekte beleuchtet werden und nicht alles so eindeutig erscheint, wie es anfangs scheint. Die Verhandlung ist auf drei Tage aufgeteilt, nach denen ich jeweils mit meinen Mitspieler*innen über meine Vermutungen diskutiere. Dazu kommen die Perspektiven von Geschworenenkarten, die vorgelesen werden. Ansonsten baut das Spiel vollständig auf die Audiofiles in der App.

Diese wurden von professionellen Sprecherinnen eingesprochen und liefern eine Qualität, die durchaus mit hochwertigen Hörspielen vergleichbar ist. Überhaupt bin ich von der redaktionellen Arbeit an dem Spiel sehr angetan. Die Texte wirken glaubhaft, das Spiel insgesamt durchdacht, und die Gestaltung ist einwandfrei. Warum allerdings die Geschworenen nicht ebenfalls als gesprochene Texte in der App enthalten sind, erschließt sich mir nicht ganz. Vielleicht wollte der Autor dafür sorgen, dass ich als Spielerin etwas mehr zu tun bekomme – denn unterm Strich besteht meine Hauptaufgabe darin, aufmerksam zuzuhören. Eine optionale Auswahlfunktion wäre hier jedoch wünschenswert gewesen. Prinzipiell hätte der Verlag auch vollständig auf die Karten verzichten können, denn sie sind weitgehend überflüssig.

In der Anleitung steht, dass der Teufel im Detail steckt. Mich hatte dies zunächst zu der Annahme verleitet, dass ich beim Spiel wirklich Informationen kombinieren muss. Das ist aber nicht der Fall. Stattdessen geht es mehr darum, individuell die Glaubwürdigkeit der einzelnen Zeuginnen zu bewerten, um anschließend mit meinen Jury-Kolleginnen ein gemeinsames Urteil zu bilden. Das Ergebnis wird in der App eingegeben – und wir erhalten die Auflösung: Der Fall basiert auf einer realen Geschichte.

Wie schon bei den MEDICAL MYSTERIES, wo es mich ebenfalls gestört hatte, ist das Setting US-amerikanisch. Es gibt Waffen, Gangs und Drive-by-Shootings. Mich holt das nicht besonders ab – ein eurozentristischer Fall hätte mir persönlich besser gefallen. Auch in Deutschland bietet die True-Crime-Landschaft eine Vielzahl spannender Fälle. Vielleicht beim nächsten Mal?

Dann würde ich mir auch wünschen, dass es in den Aussagen mehr Details zu entdecken gäbe, die aktiv zum Miträtseln einladen. In der jetzigen Form ist das Spiel ein Podcast zum Zuhören und Mitdiskutieren, mit einer kleinen Unterbrechung für eine Entscheidung, aber kein wirkliches Spiel. Mir fehlt die Entscheidungstiefe. Stattdessen steht der gemeinsame Diskurs im Vordergrund – der in meiner Runde aber kaum Fahrt aufnahm. Schade – vielleicht wird es beim nächsten Fall interessanter. Auf der technisch-redaktionellen Ebene hätte ich mir zudem gewünscht, dass man die Verhöre schneller abspielen kann. Die rund zwei Stunden Spielzeit empfinde ich für ein reines Zuhörspiel als zu lang – und das, obwohl ich sehr gerne True-Crime-Podcasts höre.

Transparenzhinweis

Für diese Rezension stand mir ein kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung, welches mir ohne Auflagen vom Verlag übermittelt worden ist.

Urteil

„Technisch und redaktionell hervorragend ausgearbeitet, bietet IHR SEID DIE JURY: ZWEI GESICHTER – EIN SCHUSS rund zwei Stunden Audiovergnügen. Wirklichen Spielspaß habe ich allerdings nicht empfunden, da es weder Rätsel noch nennenswerte Entscheidungen gab. Das Konzept besitzt in jedem Fall Potenzial – mit ein paar gezielten Änderungen.“
Johannes
Brettspielminister

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