Über das Spiel
- Erschienen bei Lookout / Asmodee
- Autoren: Alexander Pfister, Johannes Krenner
- BGG-Wertung: 6,9 | Weight: 2,93 | Spieler*innenanzahl: 2-4
Yehaw? - Mehr GWT!
Ich mache keinen großen Hehl darum: GREAT WESTERN TRAIL ist eines meiner Lieblingsspiele (meine Liebeserklärung). Entsprechend freudig habe ich reagiert, als ich gehört habe, dass es einen weiteren Teil geben würde. Auf GREAT WESTERN TRAIL (Zweite Edition), der Erweiterung RAILS TO THE NORTH, ARGENTINIEN und NEUSEELAND folgt keine Länderedition, sondern die Rückkehr in die USA, nach EL PASO, Texas. Und das Spiel verspricht, einfacher, kürzer zu werden. Entsprechend kommt es auch in einer kleineren Box. Doch erste Wolken zogen am Horizont meines innerlichen Kuhtrecks auf. Würde das auch kleineren Spielspaß bedeuten? Ich war bereit, dies herauszufinden, und so ging es erneut auf den Rundlauf. Zunächst bei BOARDGAMEARENA (BGA) und später dann auch am Tisch.
Auf nach El Paso
Thematisch erfindet EL PASO das Wagenrad von GREAT WESTERN TRAIL nicht neu: Auf einem Rundlauf bringe ich immer neue Rinderherden nach El Paso, die dort einer goldenen Zukunft zugeführt werden. Dabei achte ich darauf, einen möglichst hohen Rinderzuchtwert – der auf jedem Rind aufgedruckt ist – zu erzielen. Liefere ich nämlich höherwertige Rinder ab, dann kann ich auch höherwertige Plätze auf dem Plan besetzen und mein eigenes Spieltableau weiter ausbauen. Für das Einkommen ist der Rinderzuchtwert in diesem Teil der Reihe nicht relevant, denn jede Lieferung bringt genau $ 5. Gleich geblieben ist hingegen die Unterteilung zwischen weißen und schwarzen Ablageplätzen. Mit letzteren kann ich zum Beispiel mein Handkartenlimit erhöhen.
Wenn ich am Zug bin, bewege ich meinen Viertreiber-Meeple auf dem Viehtrack vorwärts. Zu Beginn des Spiels habe ich dafür drei Schritte. Auf jedem Ort, an dem ich ankomme, kann ich entweder die abgebildeten Aktionen oder eine Hilfsaktion machen. Die Aktionen sind etwa das Eintauschen von Rindern gegen Dollar, oder der Erwerb von Personalkarten. Das Personal benötige ich für drei andere Aktionen, die durch die Menge an Personal in meiner Auslage limitiert werden: Der Kauf von Rinderkarten, der Bau von Gebäuden und der Einsatz der Eisenbahnkarten, auf denen es Bonusplättchen und Endsiegpunkteplättchen gibt. Und genau hier zeigt sich einer der entscheidenden Unterschiede zu den vorherigen Teilen: Die Personalkarten werden nach Einsatz verbraucht und wieder in meinen Kartenstapel gemischt. Um sie erneut einzusetzen, muss ich die Karten erst erneut aufziehen. Das macht das Ausdünnen des eigenen Decks noch wichtiger als zum Beispiel bei GREAT WESTERN TRAIL – NEUSEELAND, welches erstmals en passant eine tiefergehende Deckbuilding-Komponente ins Spiel eingefügt hatte. Gebäude sind zudem limitiert: Jede*r darf maximal zwei davon platzieren. Negative Effekte auf den Gebäuden gibt es – wie negative Effekte generell – im Spiel nicht mehr.
Spielerischer Goldstaub
Die Veränderungen beim Personal und den Gebäuden bewirken, dass das Spiel insgesamt etwas zugänglicher ist und Mischstrategien stärker belohnt. In den vorangegangenen Versionen von GREAT WESTERN TRAIL brachte oftmals die Entscheidung für eine Hauptstrategie den meisten Erfolg – je nach Auslage der Personalkarten. Mit EL PASO spiele ich opportuner und weniger strategisch, was es insbesondere für Runden interessant macht, die sich nicht allzu tief einarbeiten wollen. Ärgerlicherweise kommt das Spiel gleichzeitig mit zwei Elementen, die wahrscheinlich nicht ausreichend getestet wurden. Gebäudekarte 2A wurde bei BGA als zu stark identifiziert. Zudem besteht die Möglichkeit, durch Verkauf fast aller Rinder einen unendlichen Durchlauf von Handkarten zu erzeugen (siehe auch die Diskussionen bei BOARDGAMEGEEK und BGA). Diese Strategie lässt sich zwar kontern – allerdings nur mit entsprechendem Vorwissen. Mittlerweile hat der Verlag dies jedoch in der Errata adressiert. Ob jetzt aber genau die Zielgruppe in diese hineinguckt, da bin ich skeptisch.
Ansonsten gefällt mir EL PASO als leichtere Variante von GREAT WESTERN TRAIL aber gut. Die DNA des Originals ist auch hier erkennbar und dürfte dabei helfen, mehr Personen an das Spiel heranzuführen. Auch für ein kürzeres Spiel am Abend oder bei kleinerem Platz taugt es selbst für erfahrene GREAT WESTERN TRAIL-Runden, solange ich mich von dem Gedanken frei machen kann, hier dieselben Strategien durchzusetzen.
Das Material – Leider kein Goldnugget wert
So gut mir EL PASO spielerisch auch gefällt, so unzufrieden bin ich allerdings mit dem Material. Stoffmatten als Spielbretter wirken erst einmal besonders und werten das Spiel vermeintlich auf, sind aber unpraktisch. Bei EL PASO gilt das gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen sieht das Design auf der Matte sehr verwaschen aus. Damit könnte ich noch leben. Dass ich aber gezwungen bin, die Matte zu falten, um sie in der Verpackung unterzubringen, sorgt dafür, dass sie niemals eben auf dem Tisch aufliegt, wenn ich nicht noch ein Bügeleisen mitschleppe. Warum ist nicht wenigstens die Box einen halben Zentimeter länger oder die Matte entsprechend kürzer, damit ich sie gerollt transportieren kann, wie ich es beispielsweise bei PAX PAMIR mache? Bei letzterem Spiel passt der Stoff zumindest auch zum anderen Material. Nicht so bei EL PASO. Statt Dual-Layer Boards und Holztokens gibt es hier nur dickeres Papier und Papptokens, die ich fast weggeworfen hätte, weil sie wirken wie Stanzbogenreste. Natürlich kann ich bei einem günstigeren Spiel nicht die gleiche Materialqualität erwarten, wie beim großen Bruder, aber hier geht die Entscheidung nicht zu Lasten der Haptik, sondern wirkt sich auch negativ auf die Übersicht aus. Muss ich nämlich mehrere Tokens bei den Bahnhöfen aufeinanderstapeln, kann ich von der Seite nicht erkennen, welche schon darauf liegen. Ich bin im Spiel deshalb öfter mal gezwungen, die Papptokens anzuheben, wenn sie nicht aufgrund des Knicks der Spielmatte ohnehin umfallen. Vielleicht hätte der Verlag ja einfach ein wenig Material bei den viel zu großen Holzmeeplen einsparen können, die ohnehin nur unnötig das Sichtfeld blockieren – und stattdessen eine Handvoll Holzscheiben dazupacken können. Vielleicht ist aber auch nur geplant, diverse Etsy-Shops und Händler wie Spielmaterial.de etwas anzukurbeln. Dass es für das Spiel Upgrade-Packs geben wird, das halte ich für höchstwahrscheinlich.
Apropos Übersicht: Auch diese ist eigentlich nicht gegeben. Das kleinere Spiel soll leichtgewichtig und transportabel wirken. Sitze ich aber an einem großen Tisch, dann ist alles so klein, dass ich nichts mehr erkennen kann. Das Herumreichen von Plättchen und Gebäuden befeuert die Interaktion am Tisch („Kannst du mir das mal eben geben?“), nicht auf eine Weise, die ich als bereichernd empfinde. Habe ich eine Partie zu Ende gespielt, dann lege ich meine Decke zusammen und platziere das Material im mitgelieferten Insert, das aus zusammengefalteten kleinen Boxen besteht. Schade nur, dass es hiervon viel zu wenige gibt, um das Material sinnvoll zu verstauen. Für die Karten und die Gebäudeplättchen gibt es gleich gar keine Verstaumöglichkeit, sodass die Sachen munter in der Schachtel herumfliegen. Also habe ich mein Tütenlager geplündert – und doch wieder Plastik in der Box, obwohl sich der Verlag Mühe gegeben hat, genau dies zu vermeiden.
Bei den Karten gibt es übrigens noch einen Rückschritt im Vergleich zu bisherigen GREAT WESTERN TRAIL-Versionen: Es gibt keine Spielerdecks, also keine farblich markierten Karten mehr. Vor jeder Partie heißt es also Karten sortieren. Ist nicht ganz so dramatisch, aber für mich ist das ein Komfortverlust.
Transparenzhinweis
Für diese Rezension stand mir ein kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung, welches mir ohne Auflagen vom Verlag übermittelt worden ist.
Abschließende Bewertung des Ministeriums
