Home WissenschaftDie Zukunft des Brettspieljournalismus? Künstliche Intelligenz, Meta-Analysen und nutzendenzentrierter Content

Die Zukunft des Brettspieljournalismus? Künstliche Intelligenz, Meta-Analysen und nutzendenzentrierter Content

von Johannes

KI als Gefahr

Aktuell beschäftige ich mich, auch berufsbedingt, intensiv mit dem Thema KI. Ich sehe in dieser Technologie ein Potenzial, das dem Aufkommen des Internets und der Smartphones nahekommt. Viele Auswirkungen sind bereits heute – nur rund zwei Jahre nach dem Launch von OpenAI/ChatGPT – spürbar. In Kommentarspalten wird längst nicht mehr etwas gegoogelt, sondern unmittelbar die KI befragt. Mit allen Konsequenzen: Zu schlechten Quellen kommt nun auch eine fragwürdige Interpretation. Doch das Training wird besser, Halluzinationen seltener, und vielleicht erreichen die Antworten bald Expert*innenniveau.

Als Blogger muss ich anerkennen, dass meine Beiträge inzwischen oft nur noch als Grundlage für eine KI-gesteuerte Synthese dienen. Zugriffszahlen gehen dadurch mittelfristig zurück. Übersetzungen werden längst maschinell erledigt, ebenso wie Teile der Grafikgenerierung. Das soll hier jedoch nicht Thema sein. Mir geht es um meine (unbezahlte) Arbeit als Brettspieljournalist.

Meine Meinung kann die Maschine nicht emulieren. Ebenso wenig die Spielerfahrung am Tisch, denn diese ist von Interaktionen geprägt. Glücklicherweise sind Menschen irrational. Bis dies synthetisch abgebildet werden kann, wird es noch dauern. Mindestens so lange gibt es Bedarf für Brettspieljournalismus, der erklärt, vermittelt und Begeisterung teilt. Und wahrscheinlich auch darüber hinaus – wenn auch in veränderten Formen.

KI als Chance

Trotz dieser „Bedrohung“ sehe ich die neuen Technologien auch als Chance. Wie euch sicher aufgefallen ist, führe ich seit Kurzem einen Hinweis unter meinen Beiträgen, dass ich KI zur Überarbeitung nutze. Phasenweise sehr intensiv, mittlerweile wieder sparsamer. Die typischen Formulierungen ermüden mich, und viele Texte klingen zunehmend gleichförmig.

Abseits dieser naheliegenden Nutzung glaube ich jedoch, dass KI helfen kann, einige strukturelle Probleme des Brettspielcontents zu lösen.

In meinem Beitrag zur Interpretation kleiner Fallzahlen schrieb ich, dass erst Verdichtung das Potenzial der Massenbewertungen erschließt. Einzelkritiken – egal ob Video, Podcast oder Text – haben den Vorteil, dass sie begründet sind und Informationen über die Expertise der Kritiker*innen liefern.

Doch auch bei qualitativen Bewertungen erhöht eine größere Zahl an Stimmen die Validität. Vorausgesetzt natürlich sie wird sinnvoll verdichtet und Kontraste wie Gemeinsamkeiten werden herausgearbeitet. In der Wissenschaft sind aktuell sogenannte Meta-Analysen, die mehrere quantitative Untersuchungen bündeln, der Goldstandart. Das ist vergleichsweise leicht, da „nur“ Zahlen zusammengeführt werden. Doch auch textliche Verdichtung findet längst statt und das nicht nur in der qualitativen Forschung.

Für die Brettspielkritik wären Meta-Analysen ebenfalls wünschenswert. Aber niemand kann alles lesen, hören oder sehen, was zu einzelnen Spielen erscheint. Geschweige denn daraus übergreifende Analysen erstellen.

Hier kann KI unterstützen. Sie kann große Informationsmengen effizient verarbeiten und verdichten.

Auf dem Weg zur Meta-Analyse

Für diesen Beitrag habe ich das ausprobiert. Ich wollte einen möglichst breiten Überblick über ein Spiel generieren, der die Möglichkeiten neuer Technologien nutzt – unabhängig von Sprache und Medium. Über Luding, die YouTube-Suche und das Scannen von Podcasts stieß ich auf zahlreiche Quellen, nahm aus Effizienzgründen aber nur einen Teil davon auf.

Das erste praktische Problem zeigte sich schnell: ChatGPT kann derzeit weder Audio- noch Videodateien verarbeiten. Ich musste Umwege über Transkriptionsservices gehen. Bei YouTube half mir die Website DownloadYouTubeSubtitles. Podcast-Folgen lud ich als MP3 herunter und verarbeitete sie mit Breev.ai. Alle Skripte legte ich zusammen und fütterte ChatGPT damit. Heraus kam eine zusammengeführte Analyse auf Basis folgender Quellen:

Wie sichtbar ist, ist die Podcast-Front in diesem ersten Test schwach vertreten. Besonders, da es bei den BRETTAGOGEN nur ein Ausschnitt einer Ersteindrucksfolge war. Inhalte zu bestimmten Spielen in Podcasts zu finden, ist deutlich schwieriger als in anderen Medien – vor allem dann, wenn sie in gemischten Rezensionsfolgen versteckt sind. Für einen Proof of Concept genügte es. Ich entschuldige mich dennoch dafür, die genannten Creator*innen ohne Rückfrage als Versuchsbasis genutzt zu haben. In vielen Fällen war die Auswahl durch Verfügbarkeit und meine Abonnements geprägt. Nehmt es als Anerkennung eurer Qualität. Der Umfang der Beiträge variierte stark – vom kurzen Ausschnitt der BRETTAGOGEN bis zum über einstündigen Video der BRETTSPIELTESTER.

Nach dem Einlesen nutzte ich einen kurzen Prompt, um den Text meinen Anforderungen entsprechend anzupassen:

Bitte passe den Text wie folgt an: maximal 2 Zwischenüberschriften, Fließtext, Stil eines professionellen Magazins wie FAIRPLAY oder SPIELBOX.

Die Datei mit der Grundlage habe ich hier abgelegt.

[AI GENERIERT!] Meta-Analyse zu Am Goldenen Fluss: Sechs Stimmen, ein Spiel

Wenn ein neues Kennerspiel bei Kosmos erscheint, das sowohl opulent aussieht als auch eine klare Struktur verspricht, horcht die Szene auf. Am Goldenen Fluss ist ein Titel, der mit seiner Goldfolienoptik, großen Flussschifffahrt und elegantem Spielbrett sofort Blicke auf sich zieht. Doch was bleibt, wenn der erste Glanz verflogen ist? Um dieser Frage nachzugehen, lohnt ein Blick auf sechs sehr unterschiedliche Stimmen aus der deutschsprachigen und französischen Brettspielöffentlichkeit: den YouTube-Kanal Brettspiele-Dude, das Testpaar von Die Brettspieltester, den Blog Ministerium für Brettspielspaß, den erfahrenen Kritiker Udo Bartsch, den Podcast Die Brettagogen und den französischen Kanal TU JOUES OU QUOI !!!. Ihre Urteile fallen nicht nur verschieden, sondern teilweise konträr aus – ein ideales Feld für eine Meta-Analyse.

Materialglanz und Spielfluss: Ein kollektives Lob, das sich später differenziert

Einigkeit herrscht zunächst beim Material: Der Brettspiele-Dude spricht begeistert vom „echten Hingucker“ auf dem Tisch, die Brettspieltester betonen eine starke Tischpräsenz bei guter Übersicht, und TU JOUES OU QUOI !!! nennt das Spiel schlicht „magnifique“. Doch schon hier relativiert das Ministerium für Brettspielspaß den Eindruck: Zwar sehe das Spiel hervorragend aus, doch erzeuge es nicht die spielerische Strahlkraft, die die Optik erwarten lasse. Auch Udo Bartsch mahnt, dass die Ausstattung zwar überdurchschnittlich sei, aber das Spiel nur dann Bestand habe, wenn die Mechanik sie trägt.

Beim Spielfluss teilt sich die Runde erneut in zwei Lager. Der Brettspiele-Dude lobt den konstanten Belohnungscharakter jeder Aktion und spricht von einem „fantastischen Flow“. Auch Die Brettspieltester und die Brettagogen bescheinigen dem Spiel eine sehr saubere, flüssige Struktur mit geringer Downtime. Für TU JOUES OU QUOI !!! ist das Spiel „dynamisch“ und angenehm leicht zu führen. Doch das andere Lager reagiert zurückhaltender: Das Ministerium empfindet den Ablauf als „zu vorhersehbar“, eine Struktur, die zwar rund, aber stellenweise spannungsarm ist. Udo Bartsch geht weiter und bezeichnet das Spiel als „linear“ – ein sauber konstruiertes System ohne echte Überraschungen. Für ihn ergeben sich Züge oft zu selbstverständlich, was die Entscheidungsqualität schmälere.

Kontrolle, Varianz und Spielerzahl: Stärken für gemütliche Kennerspielrunden, Schwächen bei Tiefe und Steuerbarkeit

Besonders deutlich zeigt sich die Differenzierung beim Würfelmechanismus. Der Brettspiele-Dude sieht ein „gutes Maß an Kontrolle“, allerdings bleibt Pech spürbar. Das Ministerium beschreibt das System treffend als eines, das „Glück lenkt, aber nicht steuert“, während Udo Bartsch kritisiert, dass der Würfel gelegentlich den nächsten Zug zu sehr determiniere. Die Brettagogen dagegen nehmen das Würfelelement sportlich und verweisen auf die entschärfende Wirkung der Gunstpunkte, während die Tester das Konzept als funktional und passend beschreiben.

In puncto Varianz sind die Urteile erneut geteilt. Das Ministerium und Bartsch bemängeln, dass viele Partien ähnlich verlaufen und sich das Spiel nicht steigere, während der Brettspiele-Dude, die Brettspieltester und TU JOUES OU QUOI !!! gerade den wiederholbar flüssigen Charakter schätzen. Die Brettagogen verorten die Varianz als gruppenabhängig und attestieren dem Spiel einen angenehmen, aber nicht nachhaltigen Reiz. Bei der Spielerzahl herrscht dagegen ungewohnte Einigkeit: Zu viert wird das Spiel tendenziell unübersichtlich, zu zweit oder zu dritt läuft es am rundesten – ein Urteil, das sich durch alle Quellen zieht. Ein kurzer Blick auf die kleine Charaktererweiterung zeigt ebenfalls Übereinstimmung: gute Idee, aber deutlich unausgewogene Umsetzung.

Das Gesamtbild dieser Meta-Analyse zeichnet ein Spiel, das viel richtig macht, aber genau so klar seine Grenzen hat. Am Goldenen Fluss überzeugt dort, wo es um Materialqualität, Zugänglichkeit und Spielfluss geht. Es ist ein Titel, der Gruppen anspricht, die flüssige Kennerspiele bevorzugen und ein beständiges Belohnungsgefühl schätzen. Gleichzeitig zeigt sich, dass das Spiel weniger geeignet ist für Spielerinnen und Spieler, die hohe Kontrolle, überraschende Wendungen oder strategische Tiefenentwicklung suchen. In den Worten des Ministeriums funkelt es – und das tut es ausgesprochen schön. Aber es strahlt nicht in jedem Aspekt. Dennoch attestieren selbst die kritischeren Stimmen ein gelungenes, solides Kennerspiel, das in der richtigen Runde ein verlässlicher und ästhetisch beeindruckender Begleiter sein kann.

Vom Text zu nutzendemzentrierten Content

Texte zusammenzufassen ist jedoch nur ein Anfang. Ich glaube, dass wir uns rasch in Richtung nutzendemzentrierten Contents bewegen. Das bedeutet, dass Nutzende Inhalte in der Form erhalten, die sie bevorzugen. Höre ich lieber Podcasts, lässt sich aus meinem Text per Knopfdruck eine passende Folge erzeugen – inklusive Längenanpassung an meinen Arbeitsweg. Benötige ich eine einfachere Sprache, kann diese erzeugt werden. Und wer sich an Wortkreationen erfreut, erhält auch diese. Selbst die Generierung von Videos ist bereits möglich.

Um die Möglichkeiten zu demonstrieren, bin ich nach der Erstellung des Textes einen Schritt weitergegangen. Ich habe verschiedene generative KIs gebeten, mir bei der Produktion einer vollständigen Podcast-Folge zu helfen. Grundlage war der von ChatGPT erstellte Text. Zusätzlich ließ ich von ChatGPT ein Logo, einen Podcast-Namen sowie die Lyrics für eine Intro-Musik entwickeln. Die Audio-KI SUNO komponierte daraus ein kostenfreies Intro. Für die Umwandlung des Textes in eine Podcast-Folge samt Skript nutzte ich ElevenLabs. Dank eines Black-Friday-Angebots erhielt ich die Bezahlversion für einen Euro. Bekannte Stimmen sind für einen Podcast natürlich auch wichtig für den Wiedererkennungswert. Darum habe ich ElevenLabs zuvor noch mit einem 10-Sekunden-Clip meiner eigenen Stimme sowie einem 25-Sekunden-Ausschnitt aus dem BOARDCAST gefüttert, der die Grundlage für die beiden Sprecher ist. Insgesamt brauchte ich nur etwa 30 Minuten, obwohl ich fast alle Tools zum ersten Mal nutzte. Es ist faszinierend, wie viel bereits mit wenig Zeit und Erfahrung möglich ist und wie viel mehr wahrscheinlich möglich ist.

[AI GENERIERT!] Der zweite Blick

Fazit

Die Zukunft des Brettspieljournalismus beginnt jetzt. Die neuen Technologien verändern nicht nur, wie Inhalte erstellt werden, sondern auch, wie wir sie konsumieren. Sie ermöglichen Verdichtung, Zugänglichkeit und neue Präsentationsformen. Das bedeutet auch, dass ich meine Rolle als Content Creator neu denken muss. Was vorher schon evident war, ich erinnere mich an die Diskussionen bei den Tagen der Brettspielkritik in den letzten beiden Jahren, wird vor diesem Hintergrund noch wichtiger.

Reine Informationsvermittlungen, wie das Zusammenfassen von Regeln, können die Maschinen viel schneller leisten. Was es aber braucht, sind Kontext, Einordnung, individuelle Handschrift und Haltung. Die KI kann schon vieles, aber sie sitzt nicht mit mir am Tisch. Sie erfährt nicht die soziale Interaktion. Ihr bleiben die wichtigsten Facetten der Spielkultur verborgen. Solange wir spielen, diskutieren und uns über Mechaniken, Emotionen und Erlebnisse austauschen, bleibt auch der Raum für kritischen, kreativen, menschlichen und menschengemachten Journalismus bestehen.

Transparenzhinweis

Für stilistische Überarbeitungsschritte sowie das Lektorat kamen nach Erstellung der Rohfassung KI-Tools zum Einsatz. Der Text, seine Argumentation und alle Inhalte wurden eigenständig verfasst.

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