Über das Spiel
- Erschienen bei ASMODEE
- Autor: Bryan Bornmueller
- BGG-Wertung: 8,0 | Weight: 2,00 | Spieler*innenanzahl: 1-4
Auenland
Gäbe es einen Preis für den längsten Spieletitel des Jahres, hätte DER HERR DER RINGE: DIE GEFÄHRTEN – DAS STICHSPIEL durchaus Chancen auf den Sieg. Schon allein das ist für mich ein Grund, dem Spiel mehr als nur einen Instagram-Beitrag zu widmen. Denn mit nur 2.200 Zeichen hätte schlicht nicht genug Platz für all das Wesentliche geblieben. Zumal dieses Karten-Kampagnenspiel mit seinen 18 Kapiteln ausgedehnten Spielspaß verspricht. Und das Ganze in der Welt von DER HERR DER RINGE. Namensgebend natürlich nur im Bereich des ersten Bandes. Was klug ist, denn so dürfen wir uns – mit etwas zeitlicher Verzögerung – schon jetzt auf den nächsten Teil freuen. Das Franchise hat bekanntermaßen die Fortsetzungsmaschinerie perfektioniert, und alles kommt leichter verdaulich in drei Teilen. Genau wie diese Rezension, die ebenfalls aus Einleitung (Auenland), Hauptteil (Bruchtal) und Bewertung (Die Minen von Moria) besteht.
Bevor wir uns ins Abenteuer stürzen, möchte ich eine Vorbemerkung machen, die den vermeintlichen Olifant im Raum adressiert:
DER HERR DER RINGE: DIE GEFÄHRTEN – DAS STICHSPIEL weist eine gewisse Nähe zum KENNERSPIEL DES JAHRES 2020, THE CREW, auf. So viel Nähe, dass NICOLA BLANKENHOL in der SPIELBOX (2025, 2, S. 6) dem Thema eine ganze Seite gewidmet hat und, wie ich gelesen habe, auch KOSMOS und ASMODEE bereits im Gespräch sind. Dort ist zudem zu lesen, dass THOMAS SING, der Autor von THE CREW, diesen Titel als mechanischen Klon empfindet.
Ja, in beiden Spielen muss ich gemeinsam mit meinen Mitspieler*innen in einem Stichspiel Aufgaben bewältigen. Die Art und Weise, wie Story und Stichspiel miteinander verbunden sind, unterscheidet sich nach meinem Gefühl jedoch. Genau wie die zu erledigenden Aufgaben. Auch das Regelheft wurde unverkennbar selbst geschrieben. Für mich sind letztlich beide Spiele sehr gute Titel, die auch nebeneinander im Regal stehen können und ich hoffe deshalb auf eine schnelle und eindeutige Einigung zwischen den Partien.
Mechanik
Worum geht es also im Spiel? Wie bereits erwähnt, erzählt das Spiel DER HERR DER RINGE – DIE GEFÄHRTEN die Handlung des ersten Bands in spielerischer Form nach. Dazu bekomme ich zunächst eine Kapitelkarte, die vorgibt, welche Charaktere in dem Kapitel mitspielen können. Einige sind auch vorherbestimmt. Anschließend muss die gesamte Gruppe die Aufgaben erfüllen, die auf den Charakteren angegeben sind. Hierzu spielen wir ein Stichspiel, in dem es einen farblichen Bedienzwang gibt. Trumpfkarten gibt es nur eine, und das ist der eine Ring, der in der Regel in den Händen von Frodo startet. Die Aufgaben variieren vom Gewinnen einer bestimmten Menge an Stichen (genau, mehr, weniger als), bestimmter Karten einzelner Farben, oder Zahlen. Bei den Kapiteln ist zwischen kurzen und langen Kapiteln zu unterscheiden. Kurze Kapitel enden dann, wenn in einem Durchlauf die Ziele aller beteiligten Charaktere erreicht wurden. In langen Kapiteln müssen in mehreren Durchläufen die Ziele aller vom Kapitel vorgegebenen Charaktere erreicht werden. Manche Charaktere bringen zudem kleine Ereignisse mit Zusatzregeln oder auch Gegenstände ins Spiel. Das bleibt aber alles angenehm zurückhaltend – wirklich gravierende Regeländerungen gibt es nicht.
Dennoch bewirken die kleinen und sehr knappen Flavourtexte und Anpassungen, dass das Spiel über den gesamten Verlauf von 18 Kapiteln interessant bleibt. Dabei schwanken die Kapitel deutlich in ihrer Schwierigkeit. Insgesamt lag die Dreierrunde, mit der ich alle Kapitel gespielt habe, bei einer Gewinnquote von rund 45 %. Bei zwei der Kapitel haben wir aber jeweils fast eine zweistellige Anzahl an Partien gebraucht, bis wir das Ziel endlich erreicht hatten. Erfreulich ist, dass sich das Spiel zu dritt und zu viert sehr ähnlich anfühlt. Zu zweit wird eine kleine Krücke in Form einer Kartenauslage verwendet. Solo habe ich – wie üblich – nicht getestet.
Als HERR DER RINGE-Kenner reichten mir die knappen Flavourtexte aus, um mich an den groben Verlauf der Geschichte zu erinnern, auch wenn es mittlerweile Jahrzehnte her ist, dass ich das Buch gelesen habe. Einzelne Charaktere verblieben aber in der trüben Erinnerung. Solltet ihr weder Buch noch Film kennen, dann geht es euch aber zumindest storytechnisch wie HARALD SCHRAPERS (DAS SPIELERISCHE QUARTETT, Folge 27) und ihr werdet ihr Schwierigkeiten haben, euch in die Story des Spiels reinzudenken.
Hier hätte ich mir tatsächlich etwas mehr narrative Führung gewünscht – etwa in Form eines Begleitbuchs, anstatt sämtliche Informationen direkt auf den Karten unterzubringen. Andererseits unterstützen die Kapitelkarten dabei noch schnell das nächste Kapitel zu spielen, denn es ist immer alles direkt auf dem Tisch vorhanden.
Dies wird auch durch die schöne Aufbewahrungsbox befördert. Ohnehin empfand ich das Spiel als sehr hochwertig. Dazu tragen auch die bleiglasähnlichen wundervollen und detaillierten Illustrationen von ELAINE RYAN bei, in der auch einige Eastereggs versteckt sind. Dass die Karten zugunsten der Optik nur am oberen Rand Zahlen enthalten, fand ich allerdings unpraktisch. So musste ich nach dem Mischen jedes Mal einige Karten drehen.
Etwas mehr Sorgfalt hätte dem Regelheft gutgetan. Das Spiel kommt mit sehr wenigen Regeln aus, und trotzdem musste ich doch zwischendurch nochmal nachschlagen, weil nicht alles tadellos erklärt wurde. Gleiches gilt für die Fehler, die in der ersten Version noch vorhanden sind. Vor dem Spiel empfehle ich deshalb bei Asmodee vorbeizugucken und die Anpassungen im eigenen Spiel umzusetzen. Zum Beispiel ist der Aufbau für zwei Personen nicht korrekt dargestellt und es gibt Änderungen bei Frodo und Dick Bolger, die spielentscheidend sind. In einer meiner Runden haben wir dadurch einige Szenarien ungewollt zu leicht gespielt.
Dennoch empfand ich DER HERR DER RINGE: DIE GEFÄHRTEN – DAS STICHSPIEL insgesamt als ein sehr rundes Ergebnis. Die gute Verbindung von Story und Stichspiel hat mich länger motiviert, als ich anfangs erwartet hatte. Dadurch, dass ich selbst die Charaktere für mein Kapitel auswählen darf, ergeben sich Möglichkeiten der Anpassungen des Kapitels je nach Handkarten und Präferenzen, was die Gruppe dabei unterstützt, das Erlebnis zu personalisieren. Schließlich sind 18 Kapitel auch die Menge an Spielen, die ich für gut bewältigbar halte.
Transparenzhinweis
Für diese Rezension stand mir ein kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung, welches mir ohne Auflagen vom Verlag übermittelt worden ist.
Die Minen von Moria (Abschließende Bewertung des Ministeriums)
