Home RezensionenEscape & Krimi Dossier – Akte I: UNLOCK!, CRIME FILES, LOST PLACES und AKTE FEHLTRITT

Escape & Krimi Dossier – Akte I: UNLOCK!, CRIME FILES, LOST PLACES und AKTE FEHLTRITT

von Johannes

Vorweg

Die Escape- und Krimi-Dossiers sind eine neue Reihe auf meinem Blog. Ich hatte in der Vergangenheit immer wieder überlegt, welches Format sich für diese Art von Spielen eignet. Im August schrieb ich, dass es stets eine Herausforderung sei, diese „‚angemessen‘ zu rezensieren.“ „Zwar ließe sich ausführlich über Mechaniken schreiben, doch sind diese meist hinlänglich bekannt. Auf einzelne Rätsel oder konkrete Inhalte näher einzugehen, verbietet sich hingegen, da ich niemandem den Spielspaß nehmen möchte.“ Diese Überlegungen führten schließlich zu einem Format, auch wenn die Reihe zunächst noch keinen festen Namen hatte und ich zwischendurch noch Einzelbesprechungen ausprobierte. Einen Anteil daran trägt auch Sonja (BRETTSPIELPOESIE), die ein entsprechendes Konzept schon länger bei sich etabliert hat. Danke für deine Anregung und deinen großartigen Blog.

Die vorgestellten Spiele habe ich dieses Mal jeweils einmal zu zweit mit meiner Frau gespielt. In diesem Dossier werden folgende Spiele besprochen:

UNLOCK! – ENCHANTED ADVENTURES

Nachdem die letzte UNLOCK!-Box (SUPERNATURAL ADVENTURES) bei uns und vielen anderen, etwa der BRETTSPIELERUNDE, nicht überzeugen konnte, war ich unsicher, ob ich mich auf die mittlerweile 14. Box freuen sollte. Auf der anderen Seite gab es bei den SHORTS einige Lichtblicke und eigentlich gehört UNLOCK! auch zu meinen favorisierten Escape-Reihen. Die Verknüpfung zwischen Karten und der dazugehörigen App, die immer wieder auf überraschende Art und Weise eingesetzt werden muss, bietet Rätselabenteuer in unterschiedlichsten Settings und vor allem mit vielen Wendungen.

Wie üblich umfasst die Box drei Fälle. KILIAS ZORN nimmt mich mit auf eine Insel. Ein Vulkanausbruch droht diese zu zerstören und ich muss die Gottheit des Feuers besänftigen. Ungewöhnlich ist bei diesem Fall ist, dass ausnahmsweise mehr Material zum Einsatz kommt als sonst. Ansonsten bietet er aber ein nettes durchschnittliches Abenteuer mit allerhand gut lösbaren Rätseln. Und wenn es mal nicht weiter geht, dann hilft hier auch die App.

Dies ist ein Unterschied zu CHAOS AUF DER KIRMES. Wir sind gewohnt, dass wir mit Hilfe der App-Hilfe und notfalls Lösungen das Abenteuer gut bewältigt bekommen. Nicht so jedoch bei diesem Fall. Ein Aspekt hing bei uns in der App und wir saßen auf der Kirmes fest.

In der guten alten Zeit™ lagen den UNLOCK!-Boxen noch Lösungen bei, in denen ich in solchen Fällen nachschlagen konnte. Dies ist aber nicht mehr der Fall und auch auf der ASMODEE-Website haben wir vergeblich gesucht. Das zwang uns dazu, Karten umzudrehen und mögliche Ansatzpunkte manuell zu suchen. Sehr ärgerlich – und dass, obwohl wir sogar die richtige Lösung hatten, wie wir mittlerweile wissen.

Ganz anderes Setting, aber gleiches Problem: DER FLUCH VON CAMELOT. Hier wurde das Schwert Excalibur geklaut und ich muss es zurückbekommen. Das würde auch gehen, wenn nicht kleinere Probleme mit der App immer wieder den Spurt durch Pendragon behindern würden. Wirklich ärgerlich und ich hoffe, dass hier noch etwas optimiert wird. Vielleicht lag es aber ja auch nur an meinem Handy (neuste Android-Version).

Ansonsten fand ich erzählerlisch CHAOS AUF DER KIRMES und DER FLUCH VON CAMELOT etwas stärker als KILIAS ZORN. DER FLUCH VON CAMELOT hat viele Elemente der Artus-Sage aufgegriffen ohne Teile davon zu kopieren. Bei CHAOS AUF DER KIRMES erlebe ich als Protagonist ein Abenteuer aus der Sicht eines Kindes, was mir persönlich sehr gut gefällt und narrativ andere Logiken ermöglicht als ein „erwachsenes“ Abenteuer.

Im Gesamtbild zeigt die Box solide Ansätze, bleibt jedoch hinter ihren Möglichkeiten zurück. Technische Einschränkungen und die fehlende Kompletthilfe schmälerten das Erlebnis. Inhaltlich ist Potenzial vorhanden, doch der Weg zurück zu den GAME ADVENTURES wird hier noch nicht erreicht.

Crime Files – Fallakte: Verliebt, verlobt, verwitwet

  • Erschienen bei TOPP
  • Autor*innen: nicht angegeben

In diesem CRIME FILES-Fall wird aus einer Hochzeit binnen kurzer Zeit ein Kriminalfall, und eine Person aus der Hochzeitsgesellschaft muss verantwortlich sein. Wir erhalten als Polizeischüler*innen eine Akte mit umfangreichem Material, das gesichtet und kombiniert werden muss. Zusätzliche Hilfsmittel gibt es kaum. Das Smartphone wird nur für die Auflösung am Ende und das Abspielen und Angucken einiger weniger digitaler Beweise verwendet. Und auch auf richtige Rätsel wird weitgehend verzichtet.

Der Fokus wurde, so hatte ich den Eindruck, vor allem auf das Storytelling gelegt. Insbesondere die Beziehung der Braut zu ihrer besten Freundin wurde herausgearbeitet. Ich konnte mir beim Durcharbeiten bildlich vorstellen, wie viel Freude der*die Autor*innen beim Erstellen hatten. Auch die sonstigen Materialien sind liebevoll gemacht. Allerdings wurde hier das Potential für handfeste Logikrätsel nicht komplett ausgeschöpft. Vieles bleibt angedeutet. Hier hätte ich mir etwas mehr Klarheit erhofft. Auch eine stärkere Ausarbeitung der Charaktere abseits von Braut und bester Freundin hätte dem Fall mehr wesentlich Tiefe verliehen.

Die mitgelieferten digitalen Audiobeweise empfand ich als wenig authentisch. Wirklich unzufrieden war ich mit der Auflösungswebsite. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum der Verlag bei einer Reihe, die mittlerweile schon – je nach Zählweise – zwischen sechs und acht Teilen umfasst, keine eigene funktionierende Website zur Verfügung stellt. Stattdessen wird in diesem Fall auf Microsoft Forms gebaut. Das bricht nicht nur die Immersion, es limitiert auch massiv in den technischen Möglichkeiten. Wie schöne wäre es doch nach Abschluss noch in „echte“ Polizeiakten zu gucken, oder eine Auflösung durch eine*n Kommissar*in zu bekommen. Stattdessen lese ich ein kleines Textchen auf einer Seite, die nicht einmal im Entferntesten dafür gedacht ist. Ja, ich gebe zu, meine Ansprüche an Fälle dieser Art sind mittlerweile groß. Aber die Konkurrenz ist es auch und hieran müssen sich die Fälle messen lassen.

Lost Places Rätselbox – Spuren in der Asche

Die Schachtel hat ein anderes Format, doch das Prinzip der LOST PLACES RÄTSELBOX gleicht dem der CRIME FILES. Statt Polizeiarbeit übernehme ich hier einen Auftrag für eine Versicherung in einem Lost Place. Lost Places sind verlassene Orte wie Gebäude oder Industrieanlagen, die viele Menschen faszinieren. Auch ich war beim Geocaching eine Zeit lang gerne an solchen Orten unterwegs. Mittlerweile ist der damit verbundene Hausfriedensbruch verjährt und ich kann es hier frei zugeben. Wer sich für das Thema interessiert und auf der sicheren Seite bleiben möchte, kann zu diesem Krimispiel greifen. Mit „14 echten Lost-Places-Fotos“ wirbt der Verlag und vermittelt eine gewisse Exklusivität, auch wenn das Internet längst voller entsprechender Aufnahmen ist. Der tatsächliche Reiz des Falls liegt für mich damit vielmehr in der gelungenen Verbindung von Thema und Rätseln. Überfordert wurde ich dabei nicht.

Beim Öffnen der Schachtel begrüßen mich ein Anschreiben und eine genaue Auflistung dessen, was von mir erwartet wird. Ein fiktives Beispiel: Wie viele Mahlzeiten wurden gekocht? Um dies zu lösen, müsste ich dann die Materialien (primär Unterlagen, aber auch ein Gegenstand) inklusive der Bilder sichten und komme irgendwann auf eine Zahl. Sobald alle Fragen gelöst sind, folgt die Auflösung.

Manches in der Aufgabenliste erschien mir zu offensichtlich, anderes wirkte unnötig kleinteilig. Insgesamt war die Spurensuche in der Asche eines verlassenen Hotels im Sauerland aber ganz interessant, wenn auch sehr kurz. Narrativ fügen sich Story und Bilder zusammen. Nach rund 45 Minuten konnten wir den Ort des Geschehens wieder verlassen und hinterließen dabei – das ist Ehrensache in der Lost Place-Community – nichts außer Fußspuren.

Akte Fehltritt

Welches Potenzial in einer gut gestalteten Website und der Zusammenarbeit mit einem Podcast steckt, zeigt die AKTE FEHLTRITT. Für uns war es der erste Umschlag dieses Verlags, weshalb wir keine klare Vorstellung von Umfang und Aufbereitung hatten. Und obwohl sowohl meine Frau als auch ich neben Brettspiel-Podcasts gern True Crime hören, kannten wir den beteiligten Podcast MORD HOCH ZWEI, der seit Oktober 2024 regelmäßig erscheint, vorher nicht. Offen gesagt, schwang anfangs die Sorge mit, dass diese Verbindung ähnlich holprig geraten sein könnte wie beim ECHOES-Teil mit MORD AUF EX. Das erwies sich jedoch schnell als unbegründet.

Neben den üblichen Materialien im Umschlag arbeitet der Fall vor allem mit Audiofiles und Websites. Die Audioaufnahmen, eingesprochen von den Podcasterinnen und einem weiteren Sprecher, sind durchweg professionell produziert. Auch die zum Fall gehörenden Websites sind ansprechend und authentisch gestaltet und enthalten sauber integrierte interaktive Elemente.

Anders als bei vielen anderen Fällen lässt sich das gesamte Material nicht sofort sichten. Der Podcast übernimmt die Führung und gibt vor, welche Umschläge als Nächstes zu öffnen sind. In sehr kleinen Schritten entsteht so die Lösung, denn nach jeder Station müssen neue Fragen beantwortet werden. Insgesamt wirkt der Fall aus diesem Grund eher auf ein Neueinsteiger*innenpublikum ausgerichtet. Zudem waren die Fragen sehr einfach zu lösen. Sollte dennoch Hilfe benötigt werden, gibt es Hilfe direkt auf der Website. Zudem verhindern auch falsche Antworten nicht die Progression, sodass sich Frust durch nicht lösbare Rätsel sehr in Grenzen halten sollte.

Ein schönes Feature, das ich bislang nicht von Fällen dieser Art kannte, ist die Einbindung kleiner Umfrageelemente, die mich mit anderen Spieler*innen verknüpfen und nach Einschätzungen zum Fall fragen. Gerade bei einem Podcast-Fall, bei dem die Immersion zugunsten eines Community-Gefühls bewusst geöffnet wird, funktioniert das hervorragend.

Neu war für mich auch die Vielzahl an Erklärungen zu kriminalistischen Begriffen wie etwa Undoing oder Übertötung. Diese Passagen hätten wir allerdings gern übersprungen, denn wirklich Neues boten sie uns nicht. Unsere langjährige True-Crime-Erfahrung macht viele dieser Grundlagen schlicht entbehrlich, und wir hätten dann lieber mehr gerätselt als gehört.

Ebenfalls etwas zu üppig war für meinen Geschmack die thematische Breite, die der Fall abdeckt. Eine stärkere Fokussierung wäre möglich gewesen, ohne Spannung einzubüßen. Besonders weil manche Themenkomplexe nur angerissen werden, statt eine klare erzählerische Funktion zu erfüllen, entsteht trotz der starken Führung gelegentlich ein leicht zerfasertes Bild.

Ist der Fall abgeschlossen, lässt sich ein Bonuskapitel freischalten, wenn ich meine E-Mail-Adresse angebe und diese idealerweise zugleich für einen Newsletter freischalten lasse. Der dabei erhaltene Code dient außerdem als Rabatt im Shop. Das ist zwar kluges Marketing, hinterlässt für mich aber auch einen Beigeschmack: Bei einem Preis von fast 25 € würde ich erwarten, ohne weitere Hürden Zugriff auf das vollständige Paket zu erhalten. Hat mir ein Fall gefallen, bestelle ich ohnehin gern mehr – dafür brauche ich keine zusätzlichen Anreize. Der zusätzliche Registrierungsdruck wirkt deshalb unnötig und stört den ansonsten angenehm reibungslosen Gesamtablauf.

Das gilt umso mehr, da sich diese Fallakte vor der Konkurrenz keineswegs verstecken muss. Die AKTE FEHLTRITT ist ein rundes Gesamtpaket, das technisch wie inhaltlich auf ganzer Linie überzeugt.

Transparenzhinweis

Für diese Rezensionen standen mir kostenfreie Rezensionsexemplare zur Verfügung, die mir ohne Auflagen von den Verlagen übermittelt wurden. Für stilistische Überarbeitungsschritte sowie das Lektorat kamen nach Erstellung der Rohfassung KI-Tools zum Einsatz. Die Rezensionen, ihre Argumentationen und alle Bewertungen wurden eigenständig verfasst.

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