Die Polizei und ich
Polizist war – neben Sozialwissenschaftler – einer meiner frühen Berufswünsche. Ein Praktikum bei der Polizei hatte ich sogar absolviert. Doch die Realität sah anders aus: Sport war nie meine Stärke, und nach einem kurzen Aufenthalt bei der Bundeswehr, den ich rückblickend als Fehlentscheidung werte, entschied ich mich schließlich für ein Studium an der Uni.
Trotzdem träume ich bis heute manchmal davon, wie es wäre, Verbrecher zu jagen. Zum Glück gibt es Spiele, die dieses Szenario wenigstens simulieren – ganz ohne Gefahr und sportliche Anforderungen.
Obwohl ich schon mehrere Escape-Spiele des TOPP-Verlages besprochen habe (darunter auch das gelungene THE LIGHT IN THE MIST), hatte ich zu den CRIME FILES bislang keinen Kontakt. Das sollte sich nun ändern.
Das Spielsystem
Wie der Name bereits andeutet, handelt es sich bei den CRIME FILES um aktenbasierte Spiele, wie ich sie auch von HIDDEN GAMES und IDVENTURE kenne. Nach dem Öffnen des Kartons begrüßt mich ein kurzes Begleitschreiben mit Einleitung, gefolgt von umfangreichem Spielmaterial. Im Fall ATEMLOS IM ALLGÄU sind es laut Beschreibung 40 realistische Beweismittel. Bei DAS GEHEIMNIS DER HACKERIN kommen zu den 30 physischen Materialien noch digitale Hinweise dazu.

Das Spiel besteht im Wesentlichen aus der Sichtung des Materials mit einer anschließenden Deduktionsphase, im Team oder solo, in der ich versuche, gemeinsam mit meinen Mitspieler*innen Ordnung ins Chaos zu bringen.
Meistens gibt es Kleinigkeiten zu entdecken, die dann am Ende die Story zweifelsfrei entschlüsseln. Diese Lösung trage ich dann (bei den CRIME FILES) in eine Eingabemaske ein und erfahre, ob ich richtig lag. Darüber hinaus gibt es eine Auflösung für den Fall. Die CRIME FILES präsentieren hier einen längeren Text, was ich als ausreichend empfinde. Andere Reihen setzen hingegen auf Videos oder Audiomaterial.
Das Geheimnis der Hackerin
- Erschienen bei TOPP
- Autor*innen: Hans Pieper, Christiane Behnke
Von beiden Fällen interessierte mich DAS GEHEIMNIS DER HACKERIN zunächst am meisten. Ich bin computeraffin und Fälle dieser Art lassen sich oft gut mit persönlicher Leidenschaft für Technik verbinden. Die Story wird vom Verlag wie folgt beschrieben:
„Ganz aufgeregt zeigt dir Komissar Kärmer eine Akte. ‚Irgendeine verrückte Hackerin behauptet, sie sei einer großen Sache auf der Spur. Und sie braucht unsere Hilfe! Ich würde den Fall zu gerne selbst knacken, aber ich kann leider mit dem digitalen Kram nichts anfangen. Also trommeln Sie Ihr Cyber-Team zusammen und verfolgen Sie jede Spur! Sie hat sogar eine Hackeranleitung mitgeschickt, wenn Sie mal nicht weiterwissen. Grandios!‘“
Im Nachhinein glaube ich, dass schon diese Beschreibung auf das zentrale Problem hinweist. Laut Verpackung sollte der Fall 120 bis 180 Minuten dauern, ich war aber schon nach rund 60 Minuten fertig. Nun könnte ich mir selbst auf die Schultern klopfen und attestieren, dass ich schlichtweg zu gut in dieser Art von Spiel bin, aber das wäre geschwindelt. Das Spiel ist so darauf ausgelegt mich zu unterstützen, dass ganz zwangsläufig schnell vorankomme. Bevor ich überhaupt selbst auf die Lösung komme, finde ich zahlreiche Hinweise in den Texten. Für den „Hacking-Anteil“ gibt es die erwähnte Schritt-für-Schritt-Anleitung. Dabei ist dieser Part nicht einmal grundsätzlich schlecht gelöst: Über einen QR-Code gelange ich auf eine Eingabeaufforderung und muss dort verschiedene Befehle eintippen. Was hätte zum Beispiel dagegengesprochen, einfach einen /help-Befehl einzubauen? Stattdessen gibt es eine Papieranleitung mit Detailbeispielen.
Oft ist es in Spielen dieser Art notwendig, Suchmaschinen oder Kartentools einzusetzen. Hier sollte ich Suchmaschinen dringend meiden: Der Google-Suchagent präsentierte mir unmittelbar die richtige Lösung. Grund: Die Webseite wurde nicht ausreichend vor Indizierung geschützt.
Auch bei anderen Seiten, zu denen mich QR-Codes führten, gab es handwerkliche Fehler, die die Immersion störten.
Hinzu kommt die mangelnde Kompatibilität mit unterschiedlichen Endgeräten. Die meisten werden das Spiel nicht am PC spielen. Und dann sind da noch die zu findenden Passwörter. Aus meinen Cyber-Security-Schulungen weiß ich natürlich, dass eine Hacker*in keine einfachen Passwörter verwenden würde. Aber Kombinationen aus kleinen und großen Buchstaben mit Sonderzeichen und Zahlen sind nun einmal auf prädestiniert für Fehler, wenn ich sie einmal irgendwo abschreiben oder erkennen muss. Was der Passwortgenerator kann, kann das menschliche Auge nicht immer entziffern. Das war auch der einzige Moment, wo ich etwas länger gebraucht habe. Einfach, weil ich eines der Sonderzeichen nicht richtig erkannte.
Die Story hingegen empfinde ich als durchdacht und schlüssig. Sie besteht aus zwei Stufen.
In der ersten erfährt man einiges über die Dorfbewohner, die aus verschiedenen Gründen als Täter in Frage kommen.
Habe ich dies herausgefiltert, bleibt nur noch ein kleiner Schritt, um die Lösung zu erhalten und den Dank der Hackerin zu genießen.
Schade, ich glaube, dass der Fall insgesamt mehr Potential gehabt hätte. Schlussendlich war die Erfahrung für mich aber lediglich „Ok“ – zu schnell geknackt und deshalb wahrscheinlich auch schnell vergessen. Beim nächsten Mal kann das Hacking-Level gerne hochgefahren werden.
Atemlos im Allgäu
- Erschienen bei TOPP
- Autor: Jürgen Seibold
Mit dem Allgäu hatte ich in meinen bisherigen 40 Lebensjahren kaum Berührungspunkte. Klar, ich weiß, dass Christian von Spielstil dort lebt, die Menschen kein Hochdeutsch sprechen und es Berge gibt. Dann hört es aber auch schnell auf. Von Autor JÜRGEN SEIBOLD kenne ich ebenfalls keine weiteren Werke.
Um mehr über die „harmonische“ Region zu lernen, nahm ich mir die Fallakte von ATEMLOS IM ALLGÄU zur Hand. Das Setting ist dieses Mal ein anderes: Ich bin Polizeischüler*in und muss einen bereits gelösten Fall nachvollziehen. Das nimmt etwas Druck heraus, aber hui, hinter den Haustüren scheint es ziemlich rund zu gehen. So ziemlich jede*r in diesem Örtchen hat Dreck am Stecken, wenn ich mir die beigelegten Profile so ansehe. Zumindest alle von denen, die als Tatverdächtige an einem Mord in einer Kneipe in Frage kommen.
Im Vergleich zum vorher genannten Fall bleibe ich bei meinen Akten. Mein Handy, mit dem ich die Website der Polizeidienststelle Prann unter der Leitung von Kommissar Gorn erreichen kann, brauche ich eigentlich nur dann, wenn ich Hilfe benötige oder auflösen möchte. Verwirrend empfand ich hier, dass der Fall gar nicht über die Fallnummer unten erreichbar ist, sondern nur per Click auf das Cover. Leider ist auch diese Seite nicht für Smartphones optimiert, wie ich hinterher feststellen musste, als ich ex-post die Hilfe noch ausprobieren wollte. Aber die brauchte ich auch in diesem Fall nicht, denn alles war ganz logisch und fügte sich problemlos zusammen.
Dabei gab es jedoch wesentlich weniger Führung durch die Materialien als beim GEHEIMNIS DER HACKERIN. So war ich gefordert Details und Verbindungen selbst herauszufinden und auch noch vagen Vermutungen nachzuspüren. Ich bin mir zudem sicher, dass ich auch regionale Details entdeckt hätte, würde ich mich in der Region besser auskennen. Das ist aber explizit als Mehrwert für Kenner zu verstehen, nicht als Nachteil für Außenstehende. Ich habe mich auch so im Allgäu wohlgefühlt. Immerhin die musikalischen Easter Eggs konnte ich entdecken. SEIBOLD hat nämlich auch einige Musiker-Biografien verfasst.
Ein besonders langes Vergnügen mit circa 70 Minuten statt der angegebenen 120 bis 180 Minuten war allerdings auch dieser Fall nicht für uns. Dadurch, dass sich alles auf die vorhandenen Materialien begrenzt, braucht es primär die Zeit, bis alle Mitspieler*innen alles gesichtet haben. Ich mache es mit meiner Frau so, dass wir beides parallel lesen. Guckt man alles gemeinsam an, dann mag es etwas länger dauern.
Transparenzhinweis
Für diese Rezensionen standen mir kostenfreie Rezensionsexemplare zur Verfügung, die mir ohne Auflagen vom Verlag übermittelt worden sind.