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CATAN – Energien – Aufbruch in ein neues CATAN-Zeitalter?

von Johannes
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Über das Spiel

Vorwort

29 Jahre nach Erscheinen von „Die Siedler von Catan“ kommt jetzt ein weiteres Spiel im CATAN-Universum heraus. Doch die Welt ist heute eine andere. Klaus Teuber ist vor etwas über einem Jahr verstorben, wie sogar die Tagesschau berichtete, und dies ist das letzte Werk, an dem er gearbeitet hat. Sein Sohn Benjamin tritt in seine Fußstapfen. Politisch bewegen wir uns in einer Phase der Polarisierung und Umweltschutz beziehungsweise der Klimawandel sind nicht mehr länger nur ein wichtiges Problem, sondern die wichtigste Frage unserer Zeit. Diese Entwicklung lässt auch die Spielebranche nicht kalt und so stellen sich die Bewohner*innen von CATAN aufgrund ihres steigenden Energiebedarfes der Frage nach regenerativen Energien.

Die Entwicklung von CATAN 1995 war ein Meilenstein in der Brettspielwelt. Ich bin mir sicher, dass jede*r Leser*in dieses Blogs ihre eigene Geschichte von oder über CATAN erzählen kann und alle mit den Regeln des Spiels grundlegend vertraut sind. Angesichts dessen verzichte ich auf eine detaillierte Regelerklärung und gehe nur auf wichtige Änderungen zum Grundspiel ein.

Story und Spielmechanik: CATAN braucht Energie?

Geschichtlich spielt CATAN – Energien in einer etwas fortschrittlicheren Gesellschaft, als es im CATAN – Universum sonst der Fall ist. Die Bewohner*innen haben Forschungsstädte (die alten Städte) errichtet und benötigen Energie, um ihre Forschung betreiben zu können. Diese kann aus braunen (fossile Brennstoffe) und grünen (regenerative Energien) Kraftwerken gewonnen werden. Die Energie ist dabei auch spielerisch wichtig, denn sie bietet Zugang zu Nebenaktionen. Immer wenn der Würfelwurf ein Feld ergibt, an das ein oder mehrere Kraftwerke angeschlossen sind, erhalte ich als Besitzer*in Blitze, von denen ich bis zu fünf sammeln kann. Mit zwei Blitzen kann ich etwa mein Handkartenlimit auf zehn erhöhen, oder für ebenfalls zwei Stück Rohstoff- oder Forschungskarten kaufen. Letztere werden benötigt, um die Kraftwerke zu bauen. Die andere Möglichkeit, um an Forschungskarten zu kommen, ist, dass ein Feld gewürfelt wird, an dem meine Forschungsstadt gebaut ist. Statt doppelte Ressourcen bekomme ich jetzt nämlich immer nur eine Ressource, aber auch eine Forschungskarte. Braune Kraftwerke kosten mich eine Forschungskarte und grüne Kraftwerke gleich drei Forschungskarten.

Baue ich solch ein Kraftwerk, dann hat dies eine Konsequenz für alle und den weiteren Spielverlauf. Anders, als dies bislang bei CATAN der Fall war, sind auf dem Spielplan zwei Leisten mit aufgedruckt: eine Kramer-Leiste und eine Umweltleiste. Die Umweltleiste beschreibt die Umweltbilanz der gesamten CATAN-Gesellschaft. Dörfer und Städte verursachen ein oder zwei Umweltbelastung. Da alle Spieler*innen mit jeweils einem Dorf und einer Stadt starten, beginnt das Spiel bei drei Personen also mit einem Wert von neun Umweltbelastung. Jedes braune Kraftwerk lässt die Umweltbelastung um eins ansteigen, jedes grüne Kraftwerk um eins fallen.

Warum ist dieser Wert wichtig? Vor Beginn jedes Zuges, also noch vor dem Würfeln, werden Energie-Chips aus einem Beutel gezogen. Zu Beginn des Spiels sind 43 Energie-Chips im Beutel vorhanden. Können keine Energie-Chips mehr nachgezogen werden, dann endet das Spiel vorzeitig ansonsten so wie gehabt wenn jemand zehn Siegpunkte hat. Die Umweltbelastung definiert, wie viele Chips aus dem Beutel gezogen werden müssen. Bei sehr hoher, oder sehr niedriger Belastung müssen zwei statt eines Chips gezogen werden. Die Gesamtzahl der Züge im Spiel reduziert sich dann also drastisch. In unserer ersten Partie ist uns dies passiert. Wir haben uns gemeinsam sehr klimaschädlich verhalten und nur braune Kraftwerke gebaut. Die Partie war dann nach nur 30 Minuten zu Ende und wir hatten alle verloren. Das Zweite, was diese Energie-Chips bewirken, ist, dass sie Ereignisse auslösen können. Dies geschieht immer dann, wenn bestimmte Leisten mit ihren jeweiligen Symbolen voll sind. Ereignisse belohnen in der Tendenz die Spieler*innen, die besonders umweltverträglich sind und bestrafen sündhaftes Verhalten. Zum Beispiel darf die Person mit der besten Bilanz Rohstoffkarten nehmen, oder Umweltkatastrophen ereignen sich, die dann diejenigen, mit der schlechtesten Bilanz treffen. Letztere sind Pappmarker, die einmalig eine Ausschüttung von Ressourcen auf einem Feld, einem Dorf oder einer Stadt verhindern und dann weggeräumt werden. Das klingt auf den ersten Blick vielleicht nicht so schlimm, aber wenn dies ausgerechnet eine dringend benötigte Ressource trifft, die dann auch noch eine weniger häufige Zahl hat, dann kann dies schon sehr ärgerlich sind. Wie gut, dass ich die Umweltschäden auch mit Energie beseitigen kann – sofern ich denn welche habe.

Das verstärkte CATAN-Problem: Wer hat, dem wird gegeben

Denn an dieser Stelle tritt das typische CATAN-Problem in noch verstärkter Form auf. In CATAN bin ich als Spieler*in seit jeher vom Würfelglück und vom Verhalten meiner Mitspieler*innen abhängig. Wird mir ein Räuber (der hier jetzt Umweltinspektor heißt, sich aber ansonsten gleich verhält) ständig auf meine Felder gestellt, habe ich kein Glück beim Würfeln und möchte niemand mit mir tauschen, dann werde ich kein Land sehen. Gleichzeitig belohnt das Spiel die Spieler*innen, die ohnehin schon vorn liegen. Denn mehr Ressourcen bedeuten wieder mehr Gebäude, die mir dann noch mehr Ressourcen ausschütten. Leider geht die Energie genau in die gleiche Richtung. Mit mehr Energie kann ich mich frühzeitig absetzen, bekomme umso mehr Ressourcen, kann meine Kartenhand vergrößern, baue bessere Kraftwerke und werde dann auch nicht von den Ereignissen getroffen, beziehungsweise erhalte im Zweifel noch eine Belohnung obendrauf. Nicht nur, dass das Spiel weiterhin keinen Catch-Up-Mechanismus aufweisen kann, es macht die ganze Sache noch schlimmer. Immerhin ist mein Leid als hinten liegende Person irgendwann vorbei, denn die Energie-Chips dienen ja gleichzeitig als Timer für das Spiel, sodass es niemals mehr zu Endlospartien kommen wird, bei dem eine einzelne Person nicht den letzten Punkt von zehn Punkten erreicht und damit das Spielende einläutet.

Und sonst noch etwas? Design, Umweltschutz, Insert und Anleitung

Ansonsten bleibt das Spiel ähnlich zum Grundspiel. Ritterkarten sind jetzt Umweltaktivisten und auch die längste Handelsstraße ist weiterhin vorhanden. Die Rahmenteile werden je nach Spieler*innenanzahl (drei oder vier) entsprechend hingelegt. Auf jedem Teil ist dazu eine bestimmte Anzahl an Walen abgebildet. Das fand ich hinreichend detailverliebt, um es zu erwähnen. Überhaupt finde ich sowohl Material als auch Design sehr ansprechend. Ich muss aber auch zugeben, dass der Designer Ian O’Toole ohnehin einer meiner Favoriten ist. Alles wirkt stimmig und aus einem Guss – von den neuen Spieler*innentableaus, über die Kartendesigns bis zu den bedruckten Energiemarkern. Das Spiel kommt sogar mit kleinen Faltboxen für die Spieler*innenmaterialien und einer Art Insert daher. Leider ist letzteres jedoch nur sehr bedingt geeignet, um eine dauerhafte Sortierung zu gewährleisten oder gar das Spiel hochkant zu lagern, denn das Material wird weder an Ort und Stelle gehalten noch hinreichend unterteilt. So dürfte dann doch in vielen Schachteln wieder eine Reihe von Zip-Tüten landen, obwohl das Spiel ansonsten ja aus FSC-zertifiziertem Holz, Pappe und Papier hergestellt wurde und auch die Plastik-Kartenhalter aus Green-PE bestehen. Gut gefallen haben mir auch die letzten Seiten der Anleitung, in der noch reichlich lesenswertes zum thematischen Hintergrund steht.

Apropos-Anleitung: Diese fand ich nicht sonderlich gelungen. Wichtige Informationen sind manchmal zu sehr im Text versteckt (zum Beispiel, ob der Inspektor verhindert, dass Umweltschäden weggenommen werden) und es gibt keine echte Zusammenfassung. Beispiele sind zwar reichlich vorhanden, aber so gestaltet, dass es manchmal schwer ist, die Beispiele vom Haupttext zu trennen, weil sie im Fließtext erscheinen. Die grünen Unterteilungsboxen in der Anleitung werden zudem weder einheitlich verwendet, noch sind sie einheitlich gestaltet. Mal sind dort thematische Hintergründe erwähnt, mal wichtige Regeln platziert. Mal gibt es grüne Überschriften, mal schwarze oder auch keine.

Welches CATAN würde ich einem*einer Neueinsteiger*in jetzt empfehlen (danke für dieses Anregung an Sternenfahrer bei Unknowns)? Vermutlich keines, denn es gibt aus meiner Sicht viele modernere Spiele, die das CATAN-Problem nicht haben. Wenn es unbedingt CATAN sein muss, dann würde ich nach der bisherigen Spielerfahrung und der Themenpräferenz fragen. CATAN – Energien ist thematischer, aber eben auch komplizierter.

Transparenzhinweis

Für diese Rezension stand ein kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung, welches dem Ministerium ohne Auflagen vom Verlag übermittelt worden ist.

Abschließende Bewertung des Ministeriums

„Die gute und die schlechte Nachricht zugleich ist: CATAN bleibt CATAN, auch wenn es mit einem großartigen Thema verbunden wird. Mich stört daran hauptsächlich der weiterhin fehlende Catch-Up-Mechanismus und dass ich dem Würfelglück so gnadenlos ausgeliefert bin. Auf der anderen Seite sorgt in dieser Variante die Umwelt (oder deren Tokens) aber dafür, dass sich das Spiel niemals zu sehr in die Länge zieht. Allen Fans von CATAN kann ich es deshalb wärmstens empfehlen. Konnte ich aber bislang nichts mit CATAN anfangen, dann wird sich das auch mit dieser Ausgabe nicht ändern.“
Johannes
Brettspielminister

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