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Die Ratten von Wistar – Gelungenes Worker-Placement mit Pfiff

von Johannes
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Über das Spiel

 

Rezension

In „Die Ratten von Wistar“ schlüpfen die Spieler*innen in die Rolle der von Menschen in Experimenten hochgezüchteten Ratten Humboldt, Curie, Einstein oder Hypokrates. Die klugen Ratten sind aus dem Wistar-Labor geflohen, in dem sie für Experimente gehalten wurden, und bauen sich jetzt eine eigene Kolonie auf.

Da die Konkurrenz zwischen den Vieren aber zu groß wird, soll es einen Wettkampf geben, an dessen Ende eine Ratte als zukünftige Anführerin hervorgehen soll. Kern des Wettkampfes ist dabei, die eigene Kolonie zu vergrößern, Erfindungen zu machen, zu kundschaften und als erste bestimmte Errungenschaften zu machen.

Möglich wird dies durch eine Arbeiter-Einsetz-Mechanik mit mehreren besonderen Kniffen:

  1. Es finden sich alle sechs Hauptaktionen auf einem Rondell, das auch Zugang zu den Nebenaktionen bietet. Jede der fünf Runden wird das Rondell um eine Position gedreht, sodass ständig neue Kombinationen aus Nebenaktionen und Hauptaktionen entstehen.
  2. Zeitgleich sind die Nebenaktionsfelder auf dem Rondell aber begrenzt und jedes Feld kann nur einmal belegt werden. So kann es sein, dass manche Spieler*innen in einer Runde eine bestimmte Aktion gar nicht benutzen können.
  3. Bewegt sich das Rondell auf einem Spielplan, der noch durch drei weitere Teilbereiche (Wiese, Untergrund und Wald) unterteilt wird. Die Spieler*innen müssen, um die Hauptaktionen durchführen zu können, Arbeiter-Ratten (oder sind es Mäuse?) einsetzen. Die Arbeiter-Ratten-Mäuse dienen dann als Multiplikator für die Aktionen der Chef-Ratte.
    Beispiel: Wenn im Wald zwei Arbeiter-Ratten stehen und ich die Aktion Holz beschaffen mit meiner Chef-Ratte anwähle, dann erhalte ich zwei Hölzer. Steht im Wald gerade keine Arbeiter-Ratte, dann kann ich kein Holz erhalten.

Das Einsetzen der Arbeiter-Ratten vom eigenen Tableau ist eine kostenfreie Aktion, die ich jederzeit in meinem Zug machen kann. Stehen die Ratten aber erst einmal auf dem Hauptplan, dann muss ich entweder Nebenaktionen zum Verschieben verwenden, oder Bewegungstokens einsetzen, die aber begrenzt sind. Gut ist es daher, viele Arbeiter-Ratten zur Verfügung zu haben. Dies kostet mich aber zwei bis drei Züge: Es müssen zunächst Höhlen freigebuddelt werden, was mit Metall bezahlt wird. Dann muss ich Holz besorgen und mit dem Holz kann ich wieder Betten bauen, was mir Arbeiter-Ratten bringt. Zwischendrin muss ich aber noch Arbeiter-Ratten verschieben und dann nimmt mir ein*e Mitspieler*in möglicherweise auch noch den Platz weg, den ich vielleicht brauche, um etwas zu bauen.

Zudem ist die Anzahl an Aktionen auch in diesem Spiel sehr limitiert. Gespielt wird über fünf Runden (Tage in der Thematik des Spiels) in denen ich jeweils nur drei Züge habe. Benutze ich schon so viele Aktionen nur zum Ausbau und muss ich das dann möglicherweise (oder gar wahrscheinlich) mehrfach machen, um alle Höhlen auszugraben und alle Arbeiter-Ratten zu bekommen, dann bleiben mir nicht mehr genügend Züge für die anderen Aspekte des Spiels übrig: das Erfinden und das Erkunden.

Wichtig ist es nämlich auch genügend Erfindungskarten aus der Auslage zu ziehen und auszuspielen, da diese Sofortboni oder Einkommen geben, den Mitspieler*innen schaden, oder am Spielende Punkte bringen. Außerdem geben sie mir verschiedene Icons, die Vorbedingung für weitere bessere Erfindungskarten sein können, oder es ermöglichen, Missionen zu erfüllen.

Letztere gibt es bei der Erkundung des Hauses. Hierbei bewegen sich die Ratten in schönster Dungeon-Crawler-Manier durch das Haus, öffnen Türen (Sofortboni), schalten Missionen frei, die dann später erfüllt werden können, was ebenfalls Boni gibt und erlaubt das eigene Tableau zu verbessern und Gastmäuse oder gar Käse im Keller zu finden – ebenfalls für Punkte oder dauerhafte Effekte.

Ihr seht: Die Möglichkeiten dieses Spiel zu spielen sind vielfältig, auch wenn die Mitspieler*innen nicht dazwischenfunken. Tun sie das aber, dann kann es schon einmal etwas länger dauern, bis der nächste Zug durchdacht ist. Personen, die mich kennen, wissen, dass ich lange Wartezeiten beim Spiel nicht mag und hier lauert viel AP-Gefahr. Am stärksten tritt das in der Vierer-Runde auf. Zu dritt musste ich aber selten lange warten, was dazu führte, dass wir 3er-Partien auch in rund einer Stunde gespielt haben – sehr angenehm.

Trotz der niedrigen Anzahl an unterschiedlichen mitgelieferten Räumen und Gastmäusen bot das Spiel in meinen bisherigen Partien durch das variable Rondell darüber hinaus sehr viel Abwechslung. Keine Partie glich der anderen und viele Strategiewechsel waren vonnöten, um effizient zu spielen.

Die niedliche und sehr stringent durchgezogene Grafik des Spiels sollte dabei jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es spielerisch knallhart ist und ich fühlte mich unweigerlich nicht nur optisch an die Waldland-Allianz aus Root erinnert, wenn ich die Arbeiter-Ratten auf den Tisch setze. Anderseits gibt es durch die Missionen und Gastmäuse und die Erfindungen auch einen relativ hohen Glücksanteil. In einer Partie zog eine Mitspielerin beispielsweise direkt im ersten Zug eine Gastmaus, die fortan das Bauen der Betten vergünstigte – ein aus meiner Sicht enormer Vorteil. Am Ende konnte sie dann durch glückliches Ziehen gleich drei Erfindungen hintereinander nahezu kostenfrei ausspielen. Aber immerhin hätte ich es dann auf das Spiel schieben können, wenn ich nicht trotzdem gewonnen hätte.

Was das schöne Material angeht, so habe ich dennoch noch ein paar Kleinigkeiten zu bemängeln:

  1. Die Farbauswahl für die Spieler*innenmaterialien verwundert mich etwas. Es gibt vier Spieler*innenfarben und darunter auch die unbestritten wichtigste Farbe Blau. Warum mussten es aber zwei Gelbtöne sein, die insgesamt in schlechten Lichtverhältnissen für uns nicht gut zu unterscheiden waren?
  2. Es ist an vielen Stellen sowohl grafisch als auch textlich unklar, ob es sich jetzt um Ratten oder Mäuse handelt. Mir persönlich ist das nicht so wichtig, aber unter meinen Mitspieler*innen waren durchaus Nagetierfreunde, die es genauer wissen wollten.
  3. Ich hätte mir insbesondere – das hatte ich auch oben schon einmal geschrieben – mehr Räume und mehr Gastmäuse gewünscht. Erfindungen hingegen gibt es im wahren Überfluss und auch Zielkarten sind ausreichend vorhanden, um genügend Variabilität zu bieten.
  4. Das Board sieht gut aus, das physische Format ist aber aus zweierlei Gründen höchst unpraktisch:
    1. Auf kleinen Tischen dürfte es kaum unterzubringen sein
    2. Das Rondell muss bei jedem Einpacken wieder abgeschraubt werden. Immerhin geschieht dies mit einer Metallschraube, aber auch diese zieht sich im Laufe einer Partie unweigerlich zu, sodass bei uns zwischendrin ein Schraubendreher zum Einsatz kommen musste. Ich frage mich deshalb: wer denkt sich so etwas bloß aus?

Insgesamt überwiegt aber dennoch die Freude an der niedlichen Grafik und die gelungene Mechanik und wir hatten sowohl zu zweit, zu dritt und zu viert viel Freude, das Spiel zu erkunden und vor allen Dingen es zu spielen.

Transparenzhinweis

Für diese Rezension stand ein kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung, welches dem Ministerium ohne Auflagen vom Verlag übermittelt worden ist. 

Abschließende Bewertung des Ministeriums

„Der besondere Reiz dieses gelungenen Worker-Placers ist neben der Mechanik die Tatsache, dass keine Partie wie die andere abläuft, die Aufregung der Entdeckung. Sicherlich wird der Glücksanteil die Gemüter etwas spalten, aber so kann man es zumindest auf das Spiel schieben, sollte man einmal verlieren.“
Johannes
Brettspielminister

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