Über das Spiel
- Erschienen bei PEGASUS
- Autor: Michael Palm, Lukas Zach
- BGG-Wertung: – | Weight: – | Spieler*innenanzahl: 2-4
Ich kam
Als PEGASUS beim diesjährigen Pressetag ankündigte, dass BOSS FIGHTERS QR das fliegende Pferd sei, auf das der Verlag in diesem Jahr setzt, war meine Skepsis groß. Das Spiel kombiniert zwei Elemente, die ich beide nicht sonderlich schätze: einen Boss-Battler und eine umfangreiche App-Unterstützung, die das Spiel erst zum Leben erweckt. Nun gut – Battler waren ja mitunter sehr erfolgreich, etwa SLAY THE SPIRE im letzten Jahr oder das KENNERSPIEL DES JAHRES 2023, CHALLENGERS!.
Wirklich gelungene Spiele mit App-Unterstützung sind allerdings noch immer rar und oft eher ambitioniert als überzeugend umgesetzt. Doch vielleicht ist diese Symbiose eine logische Konsequenz, denn Battle-Spiele entstammen ohnehin häufig dem Computerspieluniversum. Dort haben mir etwa die Raids bei WORLD OF WARCRAFT viel Freude bereitet. Und ich nehme es vorweg: Gleiches gilt – zu meiner eigenen Überraschung – auch für BOSS FIGHTERS QR.
Ich scannte
Im Spiel gilt es, kooperativ eine Reihe von Bossen zu bezwingen. Zum Zeitpunkt dieser Rezension sind fünf davon in der App verfügbar, zum Release auf der SPIEL sollen es zehn sein. Meine Bewertung bezieht sich also auf die ersten fünf.
Die Bosse existieren als Karten – entscheidend ist jedoch die App, denn sie steuert die Gegner selbst. Auf dem Tisch liegen lediglich die Held*innen samt Lebenspunkterädern, einige Ausrüstungsgegenstände sowie die Handkarten, die meine Aktionen festlegen. Bin ich am Zug, halte ich den QR-Code meiner Karte über die Kamera meines Tablets oder Handys, und das, was darauf steht, wird ausgeführt.
Hier folgte meine erste positive Überraschung: Ich bin es gewohnt, bei QR-Codes mit Abstand, Licht und Geduld zu kämpfen, bis das Gerät versteht, was ich will. Nicht so bei BOSS FIGHTERS QR – der Spielfluss wird durch das Scannen kaum merklich unterbrochen.
Bin ich am Zug, dann darf ich eine Karte spielen. Viele der Karten erlauben dabei, insbesondere in den späteren Leveln, das Ausspielen einer weiteren Karte – eine Notwendigkeit, um die Lebenspunkte der Bosse möglichst schnell zu reduzieren. Neben Angriffen gibt es Rüstungen zur Schadensminderung oder Unterstützungskarten für Attacken und Mitspielerinnen. Haben alle Held*innen dreimal gehandelt, schlägt der Boss zurück. Stirbt jemand, endet das Spiel sofort und wir dürfen erneut einsteigen.
Zwischen den Bosskämpfen lockt Loot, der ebenso motiviert wie die Tatsache, dass jeder Boss andere Mechanismen ins Spiel bringt. Mal spuckt er Gift, mal schwebt er über dem Schlachtfeld. Alles, was man aus Videospielen kennt, findet sich hier wieder – nur in Form eines Hybriden aus Brett- und Videospiel.
Ich siegte - nach dem Kampf
Und macht das Spaß? Oh ja. Mehr, als ich erwartet hätte – gerade angesichts meiner Skepsis in der Einleitung. In Runden mit Erwachsenen, aber besonders auch mit meinen Kindern (8 und 11 Jahre), entfaltet BOSS FIGHTERS QR eine erstaunliche Sogwirkung.
Das Spielerlebnis lässt sich am besten mit einem Wort beschreiben: smooth. Drankommen, Karte legen, der Boss verliert Leben – oder wenigstens etwas Schild. Doch wer gewinnen will, muss kommunizieren: „Hat jemand eine Nahkampfattacke? Wer kann Schild geben? Wer lässt Karten nachziehen?“ Diese Absprachen machen das Spiel lebendig. Es entsteht kein bloßes „gemeinsam auf den Bildschirm starren“, sondern ein echtes Gruppenerlebnis.
Auch die Bosse selbst sind gelungen und unterscheiden sich spürbar. Durch vier Schwierigkeitsgrade entsteht zusätzliche Varianz. Die App nutzt ihre Möglichkeiten hier sinnvoll: Statt neue Decks zusammenzustellen, kann ich einfach losspielen und das Spiel wird virtuell randomisiert.
Weil die Materialien der Spielerinnen komplett analog sind, habe ich trotzdem genügend Haptik in der Hand. Ich spiele typische Fantasy-Figuren: Troll, Halbling, Zwerg und Elfe, jeweils als Krieger*in, Magier*in, Schurk*in oder Druid*in. Dieser Stereotyp setzt sich in der Illustration fort – der Zwerg ist Krieger, die hübsche Elfe kämpft aus der Distanz. Etwas mehr Bruch mit Klischees hätte dem Spiel gutgetan.
Das Loot-System führt einen leichten Deckbuilding-Aspekt ein – genug, um zu motivieren, aber nicht so komplex, dass Familienspieler*innen (oder meine Kinder) überfordert wären. Gleichzeitig bringt das Looting kleine Reibungspunkte mit sich: Spiele ich oft mit verschiedenen Gruppen, muss ich meine Karten immer wieder neu vorbereiten. Auch das Überspringen bereits bezwungener Bosse ist nicht möglich – jede Gruppe muss sich von vorn durchkämpfen. Gerade bei einem Spiel dieser Gewichtsklasse hätte ich mir hier mehr Flexibilität gewünscht, denn es möchte oft auf den Tisch kommen.
Immerhin bietet das mitgelieferte Insert eine gute Organisation für das stetig wachsende Kartenset. Dort passen auch die Gegenstände rein, die mir im Spiel vielfältige Unterstützung bieten. Auch dort ist alles vorhanden, was ich von einem ordentlichen Dungeon-Crawler erwarten würde. „Braucht jemand einen Heiltrank?“
Ins Spiel komme ich auch mit einer unerfahrenen Gruppe schnell. Die Regeln sind gut geschrieben und sinnvoll gegliedert. Zu Beginn treffe ich zudem auf eine Kampfpuppe, einen Tutorialboss, der aber optional ist.
Ein zweites, kleineres Manko zeigt sich jedoch: Sind alle Bosse – auch auf höheren Schwierigkeitsgraden – besiegt, fehlt der Anreiz, sie erneut zu spielen. Die Schwachstellen sind bekannt, mehr Loot gibt es nicht. Das dauert zwar mindestens zehn Partien, doch dann hoffe ich, dass der Programmierer zügig nachliefert. Mein Trollkrieger verlangt nach neuen Gegnern.
Transparenzhinweis
Für diese Rezension stand mir ein kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung, welches ich beim PEGASUS Presseevent erhalten habe.
Abschließende Bewertung des Ministeriums
